Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit des Familiengerichts bei Geltendmachung einer Nutzungsentschädigung für die Ehewohnung während des Getrenntlebens
Leitsatz (redaktionell)
Bei getrennt lebenden Eheleuten ist zur Entscheidung über die Entschädigung für die Nutzung der vorgehend gemeinsamen Wohnung in entsprechender Auslegung von § 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO ausschließlich das Familiengericht berufen (Anschluss an OLG Dresden, 10. Mai 2005, 21 ARf 7/05, OLG-NL 2005, 233).
Normenkette
BGB § 745 Abs. 2, § 1361b Abs. 3; ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 7
Verfahrensgang
LG Mühlhausen (Beschluss vom 26.09.2005; Aktenzeichen 6 O 909/05) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des LG Mühlhausen vom 26.9.2005 - 6 O 909/05, wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen; im Übrigen Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Die Antragstellerin hat die Ehewohnung, nämlich ein Hausanwesen, das im Miteigentum beider Parteien steht, vor mehr als zwei Jahren freiwillig verlassen. Sie bewohnt seither eine eigene Mietwohnung. Mit der Klage vor dem LG, für die sie Prozesskostenhilfe begehrt, verlangt sie vom Beklagten, der das Hausanwesen noch (alleine) bewohnt, die auf § 745 Abs. 2 BGB gestützte Zahlung einer Nutzungsentschädigung. Das LG hat den Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückgewiesen, weil der Anspruch vor einem sachlich nicht zuständigen Gericht geltend gemacht worden sei.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin ist in der Sache nicht begründet. Die Zuständigkeit des LG für den geltend gemachten Anspruches besteht nicht. Da der landgerichtliche Beschluss insoweit unzureichend ist, ist folgende Begründung nachzuholen:
Seit der Neufassung des § 1361b BGB durch das Gewaltschutzgesetz vom 11.12.2001 ist § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB vorrangige, da spezielle Grundlage für den Anspruch auf Nutzungsentschädigung für die Zeit des Getrenntlebens (OLG Dresden OLG-NL 2005, 233; Palandt/Brudermüller, BGB, § 1361b Rz. 20). Der Auffangtatbestand des § 745 Abs. 2 BGB tritt daneben für die Zeit des Getrenntlebens zurück. Daher gehören Entscheidungen über Nutzungsentschädigungen seither auch zur familiengerichtlichen Praxis (OLG Jena, Beschl. v. 21.11.2005 - 1 WF 191/04, n. v.).
Mit der Benennung von § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB als (vorrangiger) Anspruchsgrundlage ist allerdings die Frage der Zuständigkeit der Zivil- oder FamG noch nicht beantwortet (vgl. insoweit auch Brudermüller, FamRZ 2003, 1703 [1709], allerdings nur unter Bezugnahme auf ältere Rspr.). Vielfach wird § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB vom prozessrechtlichen Schrifttum noch überhaupt nicht berücksichtigt. Ein Anspruch nach § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB unterfällt, wegen der fehlenden Regelung in § 1 der Hauratsverordnung, zwar nicht zwingend dem Wortlaut von § 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO, es ist jedoch auch nicht ausgeschlossen, zur Schließung der insoweit bestehenden Lücke § 621 Abs. 1 Nr. 7 ZPO entsprechend heranzuziehen.
Bislang wurde überwiegend angenommen, dass das Zivilgericht zur Entscheidung über einen (isoliert geltend gemachten) Anspruch nach § 745 Abs. 2 BGB zuständig ist, wenn der fordernde Ehegatte freiwillig aber endgültig aus der Ehewohnung ausgezogen ist und nicht verlangt, dass ihm die Mitbenutzung wieder eingeräumt wird (BGH v. 4.2.1982 - IX ZR 88/80, MDR 1982, 575 = NJW 1982, 1753; KG FamRZ 2000, 304; OLG Bamberg v. 20.9.1989 - SA -F-25/89, FamRZ 1990, 179; OLG Zweibrücken v. 12.9.1997 - 2 AR 32/97, OLGReport Zweibrücken 1998, 127 = FamRZ 1998, 171). Der Anwendungsbereich von § 1361b Abs. 2 BGB a.F. war in solchen Fällen allerdings auch nicht sicher geklärt.
Gewährt § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB (in der Zusammenschau mit der Vermutungsregelung des § 1361b Abs. 4 BGB) nunmehr aber einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung für die Zeit des Getrenntlebens unabhängig von der Frage, warum der weichende Ehegatte ausgezogen ist, so muss die Frage der gerichtlichen Zuständigkeit unter Abwägung der Kompetenzen von Familien- und Zivilgerichten vorgenommen werden. Das OLG Dresden (OLG Dresden OLG-NL 2005, 233) hat insoweit entschieden, dass für die Zuständigkeit der FamG spricht, dass der Familienrichter das Zusammenspiel von Nutzungsentschädigung und Unterhaltsregelungen besser überschauen kann. Das AG Ludwigslust (AG Ludwigslust FamRZ 2005, 728) betont demgegenüber, dass der Kläger, der einen isolierten Anspruch auf Nutzungsentschädigung geltend macht, nicht darauf verwiesen werden darf, lediglich eine vorübergehende Regelung für die Zeit des Getrenntlebens beim FamG zu erstreiten. Vielmehr könne er vor dem Zivilgericht auch eine Regelung verlangen, die über den Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung hinausgeht.
In der Abwägung dieser Argumente ist für die Zeit des Getrenntlebens der Zuständigkeitskonzentration beim FamG der Vorzug zu geben. Aussetzungen von Unterhaltsverfahren und Abänderungen von Unterhaltsentscheidungen werden vermieden, wenn der Familienrichter die Frage der Nu...