Verfahrensgang
LG Erfurt (Beschluss vom 17.01.2022; Aktenzeichen 8 O 450/21) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Erfurt vom 17.01.2022, in Verbindung mit dem Nichtabhilfebeschluss des Landgerichts Erfurt vom 28.06.2022 wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Antragsteller, amtlich bestellter Insolvenzverwalter über das Vermögen der ... GmbH (fortan Insolvenzschuldnerin), begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Klageverfahren, mit welchem er die Antragsgegnerin zu 1 wegen Verletzung von Steuerberatungspflichten und die Antragsgegnerin zu 2 als deren Haftpflichtversicherer als Gesamtschuldner auf Zahlung von 1.121.132,09 EUR und Feststellung der Einstandspflicht für etwaige noch festgestellte Insolvenzforderungen in Anspruch nehmen möchte.
Insoweit behauptet der Antragssteller, die Antragsgegnerin zu 1 habe für die Jahre 2013 bis 2015 - zuletzt in 2016 - die Jahresabschlüsse fehlerhaft erstellt, weil sie zu Fortführungswerten - going concern - und nicht zu Liquiditätswerten erstellt worden seien; es habe an der Fortführungsprognose gefehlt. Des Weiteren habe die Antragsgegnerin zu 1 die Insolvenzschuldnerin nicht vor einer Insolvenz gewarnt und nicht auf bestehende Insolvenzgründe und eine Insolvenzantragspflicht hingewiesen.
Mit Beschluss vom 17.01.2022 (vgl. PKH-Heft, Bl. 49ff. sowie Bl. 102ff. d.A.) hat das Landgericht den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen und im Wesentlichen zur Begründung ausgeführt: Es fehle an den Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage, da der Antragsgegnerin zu 1 weder vorzuwerfen sei, dass sie zu Fortführungswerten bilanziert habe, noch, dass sie nicht ausdrücklich auf eine etwaige Insolvenzreife und entsprechende Antragsstellstellungsfrist aufmerksam gemacht habe. Insoweit sei entgegen der Rechtsansicht des Antragstellers nicht auf die Leitentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.01.2017 - IX ZR 285/14 - abzustellen. Die mit dieser Rechtsprechungsänderung einhergehenden substantiell erhöhten Maßstäbe für die Pflichten des Steuerberaters seien auf den zur Entscheidung anstehenden Fall nicht rückwirkend anzuwenden. Vielmehr sei für die bereits abgeschlossenen Sachverhalte vor Januar 2017 auf die bis dahin geltende höchstrichterliche Rechtsprechung, nämlich auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 07.03.2013 - IX ZR 64/1 -, abzustellen. Danach sei der Antragsgegnerin zu 1 kein Vorwurf zu machen. Selbst wenn man von einer erhöhten Pflicht ausgehen und der neuen Rechtsprechung folgend eine Pflichtverletzung annehmen würde, fehle es am weiterhin erforderlichen Verschulden. Die Antragsgegnerin zu 1 habe die Rechtsprechungsänderung nicht vorhersehen müssen; dafür habe es keine Anhaltspunkte gegeben; weder habe sich die Rechtsprechungsänderung aus 2017 vorher abgezeichnet, noch sei eine solche angekündigt worden. Auch mangele es an der erforderlichen Kausalität zwischen etwaigen Verstößen der Antragsgegnerin zu 1 und einer Verspätung des Insolvenzantrages bzw. dem behaupteten Insolvenzverschleppungsschaden oder Insolvenzvertiefungsschaden. Denn insoweit sei zu berücksichtigen, dass der von dritter Seite erstellte Jahresabschluss für 2016 wiederum von einer positiven Fortführungsprognose ausgehe. Zudem bestünden etliche weitere Schlüssigkeitsbedenken insbesondere in Bezug auf die Insolvenzreife oder den Zeitraum, für den eine Insolvenzvertiefung angenommen werden könne. Ähnliches gelte für die Schadensberechnung; ein Schaden sei nicht schlüssig dargelegt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgenannten Beschluss verwiesen.
Gegen den am 01.02.2022 zugegangenen Beschluss des Landgerichts hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 15.02.2022 (Bl. 100ff. der Akte) sofortige Beschwerde eingelegt und diese sodann mit Schriftsatz vom 01.03.2022 (Bl. 110 ff. der Akte) begründet. Der Antragsteller meint, die Rechtsansicht des Landgerichts zur Anwendung der BGH-Rechtsprechung fände keine Stütze in der obergerichtlichen Rechtsprechung. Auch verstoße die Rechtsansicht des Landgerichts gegen die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Das Landgericht habe in unzulässiger Weise im PKH-Bewilligungsverfahren eine schwierige und bislang ungeklärte Rechtsfrage geklärt; derartige schwierige Tatfragen seien aber nicht in einem PKH-Bewilligungsverfahren zu klären und sei es dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. In Bezug auf die Ausführungen zum Verschulden hätte das Landgericht entsprechend hinweisen müssen. Hinsichtlich der Kausalität habe das Landgericht die Vermutung aufklärungspflichtigen Verhaltens nicht berücksichtigt. Wegen der weitergehenden Einzelheiten wird auf die vorbenannte Beschwerdebegründungsschrift Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 28.06.2022 (Bl. 141ff. der Akte) hat das Landgericht der sofortigen Beschwerde des Antragstellers nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt. Das Landgericht hat ausge...