Leitsatz (amtlich)

Die Bewilligung einer Pauschgebühr kann auch für eine Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG beantragt werden, wenn sich die gesetzliche Gebühr als unangemessen niedrig erweisen sollte. In einem solchen Fall steht auch einem Rechtsanwalt, der nach § 68b StPO einem Zeugen als Vernehmungsbeistand beigeordnet worden ist, eine Pauschgebühr zu.

Im Rahmen der Prüfung nach § 51 RVG ist der Umfang der Beiordnung maßgeblich. Darüber hinaus entfaltete Tätigkeiten sind bei der Festsetzung einer Pauschgebühr nicht zu berücksichtigen.

 

Normenkette

StPO § 68 b; RVG § 51; VV-RVG Nr. 4301 Ziff. 4

 

Verfahrensgang

LG Gera (Aktenzeichen 271 Js 26977/06 1 KLs)

 

Tenor

Der Antragstellerin wird für ihre Tätigkeit im Verfahren des ersten Rechtszuges eine Pauschgebühr i.H.v. 450,00 EUR (netto) bewilligt.

Diese Pauschgebühr tritt an die Stelle der Gebühr nach Nr. 4301 VV RVG.

Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Durch Beschluss der 1. Strafkammer des Landgerichts Gera vom 26.09.2007 wurde Rechtsanwältin M dem Zeugen E K als Zeugenbeistand gemäß § 68b Satz 1 a.F. StPO beigeordnet. Rechtsanwältin M war zum Hauptverhandlungstermin am 08.10.2007 um 09.15 Uhr geladen worden und ist auch pünktlich erschienen. Der Zeuge K war jedoch zum Hauptverhandlungstermin vom 08.10.2007 erst für 15.00 Uhr geladen worden und ist kurzfristig zu dem Fortsetzungstermin vom 11.10.2007, 09.15 Uhr, umgeladen worden. Hierüber war Rechtsanwältin M versehentlich nicht informiert worden. Zum Fortsetzungstermin am 11.10.2007 erschien der Zeuge K erst um 11.05 Uhr und wurde bis 11.35 Uhr vernommen.

Mit Antrag vom 11.10.2007 begehrte Rechtsanwältin M für ihre Tätigkeit als Zeugenbeistand u.a. Gebühren i.H.v. 688,00 EUR nach Nr. 4100, 4112 und 4114 VV RVG. Mit Beschluss vom 23.01.2008 setzte die Rechtspflegerin bei dem Landgericht Gera die Rechtsanwältin M zustehenden Gebühren auf 168,00 EUR (Nr. 4301 VV RVG) fest.

Auf die Erinnerung der Rechtsanwältin bestätigte das Landgericht Gera mit Beschluss vom 10.06.2009 diese Entscheidung.

Die Beschwerde gegen den landgerichtlichen Beschluss verwarf der Senat mit Beschluss vom 20.07.2009 (1 Ws 257/09).

Mit Schriftsatz vom 04.11.2009 hat Rechtsanwältin M beantragt, ihr eine angemessene Pauschgebühr, mindestens aber eine solche i.H.v. 650,00 EUR zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer zu bewilligen.

Dazu hat sie vorgetragen, dass ihre Tätigkeit über die Beratung des Zeugen über sein Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrecht weit hinaus gegangen wäre. In Vorbereitung der Hauptverhandlung hätten mehrere Besprechungen mit dem Zeugen stattgefunden. Die dem Angeklagten S zur Last gelegten Tatvorwürfe seien nicht Gegenstand der Verurteilung des Zeugen K vor dem Landgericht Zwickau gewesen. Insoweit seien mehrere Besprechungen auch zur Wahrnehmung eines partiellen Zeugnisverweigerungsrechts geführt worden, zumal gegen den Zeugen K weitere Ermittlungsverfahren anhängig waren und sich hier Überschneidungen ergeben hätten. Sie sei vor dem Landgericht zu zwei Hauptverhandlungsterminen erschienen.

Der Bezirksrevisor bei dem Thüringer Oberlandesgericht hat mit Stellungnahme vom 28.12.2010 beantragt, die Bewilligung einer Pauschgebühr abzulehnen.

II.

Der Antrag auf Festsetzung einer Pauschgebühr ist im bezeichneten Umfang gegeben. Der weitergehende Antrag war zurückzuweisen.

Die Bewilligung einer Pauschgebühr kann auch für eine Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG beantragt werden, wenn sich die gesetzliche Gebühr als unangemessen niedrig erweisen sollte. In einem solchen Fall steht auch einem Rechtsanwalt, der nach § 68b StPO einem Zeugen als Vernehmungsbeistand beigeordnet worden ist, eine Pauschgebühr zu (vgl. Beschluss des Senats vom 09.02.2009, 1 Ws 370/08 bei [...]).

Rechtsanwältin M wurde dem Zeugen K nach § 68b Satz 1 a.F. StPO als Vernehmungsbeistand beigeordnet. Auch wenn im Beiordnungsbeschluss nicht ausdrücklich eine Beiordnung für die Dauer der Vernehmung erfolgt ist, so ergab sich dies aus der gesetzlichen Formulierung in § 68b S. 1 a.F. StPO eindeutig. Im Übrigen ist die gerichtliche Beiordnung eines Beistands außerhalb der gesetzlich geregelten Fälle gemäß §§ 68b Abs. 2, 406 Abs. 3, Abs. 4 StPO ausgeschlossen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53 Auflage, vor § 48 Rn. 11 m.w.N.).Die Beiordnung beschränkt sich auf die Dauer der Vernehmung, d.h. auf alle Vorgänge, die mit ihr in enger Verbindung stehen oder sich aus ihr entwickeln. Sie umfasst auch ein vorheriges Beratungsgespräch mit dem Zeugen und endet grundsätzlich mit seiner Entlassung (vgl. Meyer-Goßner a.a.O., § 68b Rn. 12).

Das Erfordernis des Umfangs der vorangegangenen Beratung ergibt sich hier aus den Besonderheiten des Falles. Die Antragstellerin hat in ihrem Antrag auf Bewilligung einer Pauschgebühr vorgetragen, dass ihre Tätigkeit über die Beratung des Zeugen über sein Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrecht weit hinaus gegangen ist. Insoweit ist mit der Vertreterin der Staatskasse davon auszugehen, dass dies im Rahmen der Prüfung nach § 51 R...

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