Leitsatz (amtlich)
Einem wiederholten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist muss nicht allein wegen des Vorliegens der Einwilligung des Prozessgegners stattgegeben werden. Auch bei Vorliegen der gegnerischen Einwilligung steht die Verlängerung der Begründungsfrist im Ermessen des Gerichts. Allerdings ist dieses Ermessen beim Erstantrag und auch Zweitantrag mit kurzer Verlängerungsdauer eingeschränkt oder im Einzelfall gar ausgeschlossen.
Je nach den Umständen des konkreten Falles darf das Gericht bei der gebotenen Abwägung der widerstreitenden Interessen der Notwendigkeit des Betreibens und des zügigen Abschlusses der anhängigen Verfahren größeres Gewicht beimessen als dem zum wiederholten Male von dem Antragsteller ins Feld geführten Auslastung aufgrund der Bearbeitung einer Vielzahl anderer Angelegenheiten beimessen.
Die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist u.a. dann nicht verschuldet, wenn der Prozessbevollmächtigte auf eine Verlängerung der Frist vertrauen durfte. Das setzt voraus, dass die Bewilligung der Verlängerung mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.
Ein Vertrauen auf eine dritte Fristverlängerung ist jedenfalls dann nicht berechtigt, wenn das Gericht bei der zweiten Fristverlängerung ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass eine weitere Verlängerung nicht mehr zu erwarten sei.
Normenkette
ZPO § 233 S. 1, § 236 Abs. 2 S. 2 2. Hs., § 520 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Mühlhausen (Aktenzeichen 6 O 597/18) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 18.7.2019 wird verworfen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis 9.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger macht Schadensersatzansprüche in Höhe von knapp 9.000 EUR im Zusammenhang mit dem Kauf eines vom sogenannten V...-Abgasskandal betroffenen Pkw gegen die Beklagte als Herstellerin geltend. Das Landgericht Mühlhausen hat die Klage mit Urteil vom 18.7.2019 abgewiesen. Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 26.7.2019 zugestellt worden.
Mit Schriftsatz vom 26.8.2019, der am 26.8.2019 beim Thüringer Oberlandesgericht eingegangen ist, haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers für diesen Berufung eingelegt und gleichzeitig die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28.10.2019 beantragt. Zur Begründung des Verlängerungsantrags wurde eine Auslastung mit einer Vielzahl anderer Angelegenheiten, in denen eine weitere Fristverlängerung nicht möglich sei, angeführt.
Unter dem 26.9.2019 hat der Vorsitzende des 4. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts die Berufungsbegründungsfrist bis 28.10.2019 verlängert und darauf hingewiesen, dass weitere Verlängerung nur bei gegnerischer Zustimmung zu erwarten sei.
Mit Schriftsatz vom 28.10.2019, der an diesem Tag beim Thüringer Oberlandesgericht einging, beantragten die Prozessbevollmächtigen des Klägers eine abermalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist, diesmal um zwei Monate bis zum 27.12.2019. Zur Begründung wurde wiederum auf die Auslastung mit einer Vielzahl anderer Angelegenheiten, in denen eine weitere Fristverlängerung nicht möglich sei, hingewiesen. Außerdem wurde das Einverständnis der Beklagten anwaltlich versichert.
Auch diesem Ersuchen entsprach der Vorsitzende des 4. Zivilsenats und verlängerte die Berufungsbegründungsfrist mit Verfügung vom 29.10.2019 um 2 Monate bis zum 30.12.2019. Zugleich wurde mitgeteilt, dass "weitere Verlängerung nicht mehr zu erwarten" sei.
Mit Schriftsatz vom 23.12.2019, der beim Thüringer Oberlandesgericht am 23.12.2019 um 15:53 Uhr einging, beantragten die Prozessbevollmächtigten des Klägers erneut, die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung zu verlängern, und zwar um einen Monat bis zum
30.1.2020. Zur Begründung wurde auch diesmal erklärt, dass der Sachbearbeiter mit der Bearbeitung einer Vielzahl anderer Angelegenheiten, in denen eine weitere Fristverlängerung nicht möglich sei, ausgelastet sei. Dem Schriftsatz beigefügt war die schriftliche Zustimmung des Gegners zur Fristverlängerung.
Mit Schreiben vom 30.12.2019 wies der Vorsitzende des 4. Zivilsenats den Fristverlängerungsantrag zurück und begründete dies wie folgt:
"Die ursprünglich am 26.9.2019 endende Berufungsbegründungsfrist wurde bereits zweimal verlängert, zunächst bis zum 28.10.2019, danach bis zum 30.12.2019. In der Verfügung vom 29.10.2019 wurde der Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine weitere Verlängerung nicht erwartet werden kann. Dabei bleibt es. Die Notwendigkeit des Betreibens und des zügigen Abschlusses der Vielzahl der beim Senat anhängigen Verfahren wiegt schwerer, als die in der eigenen organisatorischen Verantwortung der Prozessbevollmächtigten liegenden dortigen Arbeitsbelastung".
Die Abschrift dieser Verfügung wurde den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 6.1.2020 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 6.1.2020, der am selben Tag beim Thüringer Oberlandesgericht einging, begründeten die Prozessbevollmä...