Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu Entschädigungsleistungen der Staatskasse nach dem StrEG 10.5.2012 4 W 94/12
Leitsatz (amtlich)
1. Im (zivilrechtlichen) Entschädigungsverfahren nach § 13 StrEG sind die Zivilgerichte an die im (sog.) Grundverfahren ergangenen Entscheidungen der Strafgerichte gebunden. Im Grundverfahren werden die Anspruchsvoraussetzungen eines Entschädigungsanspruchs geregelt. Das bedeutet, dass nur hinsichtlich der im Grundverfahren festgestellten Strafverfolgungsmaßnahmen, für die das Strafgericht einen Entschädigungsanspruch ausgesprochen hat, eine Entschädigung gewährt werden kann.
2. Im Betragsverfahren entscheiden sodann die Zivilgerichte über den Umfang der von der Staatskasse zu leistenden Entschädigung auf der Grundlage der im Grundverfahren ergangenen Entscheidung; dabei kann nur für die auf die vollzogene entschädigungspflichtige Maßnahme adäquat kausal beruhenden Vermögenseinbußen eine Entschädigung gewährt werden. Nur wenn der Schadensgrund mit dem Vollzug der (entschädigungspflichtigen) Maßnahme kongruent ist, ist der Vermögensschaden ersatzfähig im Sinne des StrEG.
3. Da nur der (förmlich) Beschuldigte von der in der Grundentscheidung genannten Strafverfolgungsmaßnahme unmittelbar betroffen ist, kann auch nur dieser Ansprüche nach dem StrEG geltend machen. Dritten bleibt für eventuell mittelbar erlittene Schäden nur der Weg über eine Amtshaftungsklage.
Ausgenommen hiervon sind Ersatzansprüche aus entgangenem Unterhalt, wenn die gegen den Beschuldigten vollzogene entschädigungspflichtige Maßnahme für den Unterhaltsausfall adäquat kausal war.
Normenkette
StrEG § 13; BGB § 249
Verfahrensgang
LG Gera (Aktenzeichen 2 O 1040/11) |
Tenor
Die Beschwerde wird mangels Erfolgsaussicht der gem. § 13 StrEG beabsichtigten Entschädigungsklage zurückgewiesen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Gründe
I. Gegen den Kläger wurde unter dem 12.3.2010 auf Grund eines im Jahre 2009 eingeleiteten Ermittlungsverfahrens - 511 Js 22715/09 KLs - Anklage wegen versuchter schwerer sexueller Nötigung in Tateinheit mit exhibitionistischen Handlungen und gefährlicher Körperverletzung erhoben; der fragliche Vorfall, der Gegenstand dieser Anklage war, soll sich am 10.12.2007 in einer Modeboutique in der Marienstraße 10 in E. zugetragen haben. Der in E. wohnhafte, bisher nicht vorbestrafte Angeschuldigte befand sich vom 01.10. bis 27.10. 2009 in Untersuchungshaft. Er hat die ihm zur Last gelegte Tat stets bestritten und ausgeführt, er sei Opfer einer Verwechslung geworden.
Mit Beschl. v. 14.6.2010 - zu ob. Az. - lehnte das LG in Meiningen - 1. Strafkammer - auf Grund eigener Überprüfungen und angeordneter Nachermittlungen die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen ab, hob den zu dieser Zeit noch bestehenden Haftbefehl des AG Eisenach vom 1.10.2009 und den Haftverschonungsbeschluss vom 27.10.2009 auf und legte die Kosten des (Straf)Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen (des Angeklagten) der Staatskasse zur Last. Im Übrigen sprach es dem Angeschuldigten "für die am 1.10.2009 durchgeführte Durchsuchung sowie für die vom 1.10.2009 bis zum 27.10.2009 in diesem Verfahren erlittene Freiheitsentziehung eine Entschädigung zu". Die Strafkammer führte in ihrer Beschlussbegründung aus, dass sie dem Wiedererkennen des Angeschuldigten durch die (einzige) Tatzeugin angesichts eines den Angeschuldigten entlastenden Alibis keinen so überragenden Beweiswert beimessen könne, so dass sie unter Berücksichtigung der übrigen Umstände (fehlende Hinweise auf exhibitionistische Neigungen, fehlende Vorstrafen, erfolglose Ermittlungen im Umfeld des Angeschuldigten) eine Verurteilung des Angeschuldigten für unwahrscheinlich hielt. Wegen der Einzelheiten wird auf den genannten Beschluss der 1. Strafkammer (LG Meiningen) Bezug genommen.
Mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 22.9.2010 beantragte der Angeschuldigte bei der zuständigen Staatsanwaltschaft eine Entschädigung für durch die Strafverfolgungsmaßnahmen erlittene Vermögenseinbußen i.H.v. insgesamt 6.730,20 EUR; im Einzelnen für die erlittene Untersuchungshaft von 27 Tagen 675 EUR, für 2 Fahrten - am 15. und 19.10.2009 - seiner damaligen Verlobten (und seiner jetzigen Ehefrau) Mai Hoa Nguyen zur JVA Goldlauter insgesamt 118,80 EUR, weitere 91,20 EUR Fahrtkosten für die Erfüllung der Meldeauflage an 76 Tagen zur PI in Eisenach (2 km entfernt von seinem Wohnort), die Erstattung einer Kostenrechnung des neben dem jetzigen Verfahrensbevollmächtigten zusätzlich beauftragten Rechtsanwalts Horn vom 19.11.2009 über 892, 50 EUR (brutto), für psychotherapeutische Maßnahmen nach der Haftentlassung (ein sog. Neurotraining) 458,40 EUR, ferner für eine Zuzahlung von 10 EUR für seine Hausärztin sowie 10 EUR Zuzahlung für den wegen seines Zusammenbruchs am Haftprüfungstermin (27.10.2009) notwendigen Krankentransport, ferner für in seiner Pension beschäftigte 3 Aushilfskräfte 247 EUR, 356 EUR und 308 EUR, für eine Ersatzbrille 149,40 EUR, für vergebens aufgewe...