Leitsatz (amtlich)
Der Anspruch der Krankenkasse nach einem Rahmenteilungsabkommen mit dem Haftpflichtversicherer eines Heimträgers auf Ersatz von Aufwendungen für die Heilung von Gesundheitsschäden, die Bewohner von Pflegeheimen erlitten haben, ist nicht auf die sog. Sturzfälle beschränkt.
Auch der sog. Volumenmangel (z.B. unzureichende Flüssigkeitsaufnahme) kann in den Anwendungsbereich des Rahmenteilungsabkommens fallen.
Normenkette
SGB X § 116; AHB § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Erfurt (Urteil vom 17.11.2008; Aktenzeichen 8 O 2123/07) |
Tenor
I. Die Berufung gegen das Urteil des LG Erfurt vom 17.11.2008 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
II. Die zulässige Berufung ist unbegründet.
Das LG hat der Klage zu Recht stattgegeben.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung in der von dem LG zuerkannten Höhe aus gem. § 116 SGB X übergegangenem Recht i.V.m. § 1 Abs. 4 des Teilungsabkommens, welches für die ersten drei Schadensfälle durch die 5. Nachtragsvereinbarung ergänzt wird.
In der Haftpflichtversicherung gilt das Trennungsprinzip. Das Haftpflichtverhältnis, welches zwischen dem geschädigten Dritten (hier den Heimbewohnern) und dem haftpflichtversicherten Versicherungsnehmer (hier: Klägerin) besteht, ist mithin strikt von dem Deckungsverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Haftpflichtversicherer (hier: Beklagte) zu trennen (BGH VersR 2008, 1560, Rz. 7 - zitiert nach juris).
Für das Deckungsverhältnis gilt gem. § 1 Abs. 4 des Teilungsabkommens, dass die Haftungsfrage zwischen den Parteien in dort geregelten Fällen nicht streitig ausgetragen wird, vielmehr verzichtet die Beklagte auf eine Prüfung. Dieser Verzicht umfasst den objektiven Tatbestand einer Pflichtverletzung und erst recht das Verschulden (BGH, a.a.O., Rz. 9). Die Haftungsfrage wird somit grundsätzlich nicht geprüft, anders ist es hingegen bei der Frage der Deckungspflicht des Haftpflichtversicherers.
Eine Deckungspflicht besteht nur dann, wenn ein Schadensfall vorliegt, dieser seiner Art nach zum versicherten Wagnis gehört und der Versicherer im Einzelfall Versicherungsschutz zu gewähren hat.
Ein Schadensfall liegt gem. § 1 Abs. 1 AHB vor, wenn der Versicherungsnehmer von einem Dritten aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird. Hat der Haftpflichtversicherer wie hier auf eine Prüfung der Haftungsfrage verzichtet, so reicht es aus, wenn die Möglichkeit einer solchen Inanspruchnahme besteht. Vorliegend ist es jedenfalls möglich, dass der Volumenmangel in den hier streitgegenständlichen Fällen auf einen Pflegefehler beruht. Eine Inanspruchnahme wegen schuldhafter Verletzung des Heimvertrages und/oder wegen Verletzung der Gesundheit der betroffenen Heimbewohner, § 823 Abs. 1 BGB kommt somit jedenfalls in Betracht. Eines Rückgriffs auf die §§ 11, 12 HeimG und § 75 SGB XI i.V.m. dem Rahmenvertrag nach § 75 Abs. 1 SGB XI (Anlage K23 = Bl. I/105 ff.) bedarf es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht. Es kann mithin auch dahingestellt bleiben, ob diese Vorschriften als Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB anzusehen sind. Etwas anderes folgt auch nicht aus der von der Beklagten zitierten Entscheidung des BGH vom 27.6.1957 (NJW 1957, 1477). Diese befasst sich mit der Frage, ob unter dem "Ereignis", das nach § 1 AHB während der Wirksamkeit der Versicherung eingetreten sein muss, um eine Deckungspflicht zu begründen, entsprechend der "Verstoßtheorie" bereits die Schadensursache zu verstehen ist oder in Anwendung der "Folge- oder Schadensereignistheorie" erst das den Schaden unmittelbar herbeiführende Ereignis. Diese Streitfrage ist überholt, weil der Gesetzgeber in § 1 AHB zwischenzeitlich den Begriff des "Ereignisses" durch den Begriff des "Schadensereignisses" ersetzt hat. Er hat sich damit der Folge- oder Schadensereignistheorie angeschlossen.
Zum versicherten Wagnis gehört der Schadensfall gem. § 1 Abs. 2 des Teilungsabkommens, wenn er in einem adäquaten Kausalzusammenhang zu dem versicherten Haftpflichtbereich steht. Voraussetzung hierfür ist, dass das Schadensereignis seiner Art nach in den Gefahrenbereich fällt, für den der Haftpflichtversicherer Versicherungsschutz gewährt (BGH, a.a.O., Rz. 10). Damit erfasst das Teilungsabkommen nicht nur die der Entscheidung des BGH zugrunde liegenden Sturzfälle, sondern auch die hier streitgegenständlichen Fälle, in denen Heimbewohner zu verdursten drohen, sog. Volumenmangel. Dies folgt aus § 1 Abs. 4 des Teilungsabkommens. Danach findet das Teilungsabkommen im Rahmen der "Allgemeinen Haftpflichtversicherung" keine Anwendung, wenn "nach dem unstreitigen Sachverhalt kein objektiver Verstoß gegen Sorgfalts- und Verhaltensvorschriften" vorliegt. Im Umkehrschluss bedeutet dies einen umfas...