Entscheidungsstichwort (Thema)

Verspätetes Vorbringen

 

Leitsatz (redaktionell)

Ist im Propzess ein verspätetes Vorbringen, auf Grund der Feststellung, dass es den Rechtsstreit nicht verzögert, zugelassen worden, so gibt die Fristüberschreitung allein dem Gegner kein Recht, im Termin die Einlassung auf den neuen Sachvortrag zu verweigern.

 

Normenkette

ZPO § 296 Abs. 1-2

 

Verfahrensgang

LG Meiningen (Urteil vom 18.12.1996; Aktenzeichen 7 O 1449/96)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Meiningen – Einzelrichter – vom 18.12.1996 – 7 O 1449/96 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert der Beschwer wird für den Kläger auf 17.611,05 DM festgesetzt.

 

Gründe

(gem. § 543 ZPO)

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht Meiningen – Einzelrichter – hat zu Recht einen über DM 20,00 hinausgehenden Zahlungsanspruch des Klägers verneint. Nur dieser Betrag steht dem Kläger neben den außergerichtlich von der Beklagten geleisteten DM 23.850,21 als Schadensersatzleistung wegen des von dem Versicherungsnehmer der Beklagten allein verschuldeten Verkehrsunfalls vom 30.10.1995 gegen 15.30 Uhr in Rauenstein zu.

Dem Begründungsansatz des Landgerichts, der Klage könne nur teilweise stattgegeben werden, weil der Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 18.12.1996 als verspätet zurückzuweisen sei, kann nicht gefolgt werden. Aber selbst bei Berücksichtigung des erster Instanz als verspätet zurückgewiesenen Vorbringens des Klägers und des neuen Vortrags zweiter Instanz besteht ein über DM 20,00 hinausgehender (weiterer) Zahlungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte nicht. Trotz Berücksichtigung des gesamten klägerischen Vorbringens erster und zweiter Instanz fehlt es an einem substantiierten Vortrag, aus dem sich der Schluß ziehen ließe, daß die – zweifellos durchgeführten – Reparaturmaßnahmen das klägerische Fahrzeug wieder (zumindest) sinnvoll einsetzbar gemacht haben. Wegen des fehlenden substantiierten Vorbringens zum Umfang der ausgeführten Reparatur fehlt es weiter an Ansatzpunkten für eine Schätzung, welcher Zeitaufwand für die Schadensbeseitigung erforderlich gewesen sein könnte. Damit fehlt aber zugleich jegliche Basis für eine (auch nur zeitlich eingeschränkte) Zuerkennung von Mietwagenkosten oder Nutzungsausfallentschädigung. Auch hinsichtlich des geltend gemachten Verdienstausfallschadens ist dem Kläger die Darlegung konkreter Anhaltspunkte für die Schadensermittlung nicht gelungen.

Ein Anspruch des Klägers auf Zahlung weiterer DM 9.677,50 wegen des eingetretenen Fahrzeugschadens besteht nicht.

Für die Klärung der Frage, ob seitens der Beklagten die im Privatgutachten vom 03.11.1995 ausgewiesenen (Brutto-)Instandsetzungskosten von DM 29.677,50 zu erstatten sind oder mit vorgerichtlicher Zahlung des Bruttowiederbeschaffungswerts in Höhe von DM 25.000,00 abzüglich des Bruttorestwertes in Höhe von DM 5.000,00 der Fahrzeugschaden abschließend reguliert war, ist das gesamte erst- und zweitinstanzliche Vorbringen des Klägers zugrundezulegen. Hieran war der Senat nicht gemäß § 528 Abs. 3 ZPO gehindert. Das Vorbringen des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 18.12.1996 ist seitens des Landgerichts Meiningen zu Unrecht als verspätet zurückgewiesen worden. Weder eine Zurückweisung dieses Vorbringens als verspätet nach § 296 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 276 Abs. 3 ZPO noch gemäß § 296 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 282 Abs. 1 ZPO war gerechtfertigt, da nicht erkennbar ist, daß die Zulassung des neuen Sachvortrages den Rechtsstreit verzögert hätte. Die in § 296 Abs. 1 ZPO genannten Fristen sind nicht als Ausschlußfristen ausgestaltet, deren Versäumung generell zum Verlust des Angriffs- oder Verteidigungsmittels führen würde. Vielmehr muß das verspätete Vorbringen zugelassen werden, wenn – nach der freien Überzeugung des Gerichts – durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert würde. Dabei ist auf die Prozeßlage in dem Zeitpunkt abzustellen, in dem das verspätete Vorbringen als Prozeßhandlung wirksam wird, d. h., wegen des Grundsatzes der Mündlichkeit im Regelfall auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, vgl. Stein-Jonas-Leipold, ZPO, 21. Auflage, § 296 Rdnr. 48. Dabei ist die Erklärung des Gegners, soweit in dem verspäteten Vorbringen neue Tatsachenbehauptungen enthalten sind, von Bedeutung. Bestreitet der Gegner nämlich die Tatsachen nicht oder gesteht er sie sogar zu, so bedarf es darüber keiner Beweiserhebung, so daß es dann nicht zu einer Verzögerung kommt. Die Fristüberschreitung allein gibt dem Gegner kein Recht, im Termin die Einlassung auf das verspätete Vorbringen zu verweigern. Wurde aber das verspätete Angriffs- oder Verteidigungsmittel (neben der Fristüberschreitung) auch nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt und kann deshalb der Gegner im mündlichen Verhandlungstermin keine Stellungnahme abgeben, so treten die Wirkungen des § 138 Abs. 3 ZPO

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