Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf Strohballen
Leitsatz (amtlich)
Es besteht keine Verkehrssicherungspflicht eines landwirtschaftlichen Betriebes im Zusammenhang mit der Unterhaltung eines Strohlagers neben einem nicht öffentlichen Feldweg gegenüber demjenigen, der diese Örtlichkeit aufsucht, um in der "Deckung" des Strohlagers seine Notdurft zu verrichten.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Erfurt (Urteil vom 17.11.2008; Aktenzeichen 3 O 1856/07) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten hin, wird das Urteil des LG Erfurt vom 17.11.2008 abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Hinsichtlich des Sachverhaltes wird gem. § 540 Abs. 1 Ziff. 1 ZPO auf den Tatbestand des mit der Berufung angegriffenen Urteils Bezug genommen.
Mit Urteil vom 17.11.2008 hat das Erstgericht der Klage stattgegeben.
Zur Begründung führte das Erstgericht aus, dass der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Ersatz des materiellen Schadens i.H.v. 2.446,08 EUR habe gem. § 823 Abs. 1 BGB. Daneben habe der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 20.000 EUR Schmerzensgeld und weiter könne er die berechtigte Erstattung von vorgerichtlichen Anwaltsgebühren i.H.v. 925,92 EUR verlangen.
Gleichfalls sei auszusprechen gewesen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger jedweden weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen.
Der Kläger könne von der Beklagten materiellen und immateriellen Schadensersatz wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht gem. § 823 Abs. 1 BGB verlangen. Derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenlage gleich welcher Art für Dritte schafft oder andauern lasse, z.B. durch Eröffnung eines Verkehrs, Errichtung einer Anlage oder Übernahme einer Tätigkeit, die mit Gefahren für Rechtsgüter Dritter verbunden sei, habe Rücksicht auf diese Gefährdung zunehmen und deshalb die allgemeine Rechtspflicht, diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die erforderlich und zumutbar seien, um die Schädigungen Dritter möglichst zu verhindern. Dabei sei die allgemeine Verkehrssicherungspflicht insbesondere im Hinblick auf den geschützten Personenkreis beschränkt. Geschützt seien insofern nur diejenigen Personen, mit deren Gefährdung der Verkehrssicherungspflichtige üblicherweise rechnen müsse, nicht hingegen diejenigen Personen, die sich unbefugt in den Gefahrenbereich begeben hätten. Nach Auffassung des Erstgerichts und dessen ständiger Spruchpraxis sei die Frage, ob eine Verkehrssicherungspflicht verletzt sei, in geeigneter Weise an den für Fälle der Verkehrssicherungspflicht bei Straßenbauarbeiten entwickelten praxistauglichen Definition zu messen. Danach seien Verkehrsteilnehmer vor den Gefahren zu schützen, die für sie auch bei Anwendung der gebotenen Aufmerksamkeit nicht erkennbar seien, sofern sie die Gefahrenquelle nicht allzu widmungsfern nutzen und auf die sie sich nicht einstellen hätten können.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund sei die Beklagte ihrer allgemeinen Pflicht nicht nachgekommen, ihre "Strohballenanlage" so anzulegen, dass der nicht allzu widmungsferne Verkehr nicht zu Schaden komme. Hierfür spreche schon der Umstand, dass offensichtlich die Strohballenanlage, wie aus den Lichtbildern ersichtlich sei, teilweise tatsächlich eingestürzt sei und zwar in unmittelbarem inhaltlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der örtlichen Nähe des Klägers.
Dabei sei der Kläger auch dem schützenswerten Personenkreis zuzurechnen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten würden hierzu nicht nur die eigenen dem Beklagtenbetrieb zugeordneten Personen gehören, die zum Zweck der Berufsausübung zwangsläufig mit dem Objekt in Berührung kämen, sondern auch der allgemein erlaubte Verkehr, wie z.B. Sparziergänger, Verkehrsteilnehmer, spielende Kinder oder Angehörige ähnlicher Personenkreise. Hierzu gehöre auch der Verkehrsteilnehmer, der, wie nicht unüblich, in geschützter Lage seine Notdurft habe verrichten wollen.
Der Vorwurf der Beklagten, dass der Kläger nur deshalb in Gefahr gekommen und verletzt worden sei, weil er Stroh habe stehlen wollen, stünde nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht zur Überzeugung des Erstgerichts fest.
Dem Kläger sei daher sowohl sein materieller als auch sein immaterieller Schaden zu ersetzen. Bei der Bemessung des immateriellen Schadens seien die außer Streit stehenden Verletzungen und Verletzungsfolgen zugrunde gelegt worden. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stünde zur Überzeugung des Erstgerichts fest, dass sowohl die zweite Operation vom 4.5.2006 sowie die Spätfolge der Beinverkürzung mit Minderung der Erwerbsfähigkeit auf das Unfallereignis zurückzuf...