Leitsatz (amtlich)
1. Ein Gebäudeversicherer haftet auch für solche Schäden an dem versicherten Objekt, die nachweislich nicht auf einer unmittelbaren Einwirkung eines in dem Versicherungsvertrag genannten Elementarereignisses (hier Erdfall) beruhen, wenn das die Haftung des Versicherers begrenzende Unmittelbarkeits-erfordernis nicht vertraglich vereinbart wurde.
2. Der Versicherungsfall - hier Gebäudeschaden - tritt nicht schon mit der Bildung des Elementarereignisses (Erdfall) selbst ein, sondern erst mit dem hierdurch an dem versicherten Objekt verursachten Gebäudeschaden. Ausgehend vom Sinn und Zweck der Schadensversicherung (gegen Elementarschäden) ist unter dem Ereignis, dessen Eintritt notwendige Bedingung der Leistungspflicht des Versicherers ist, stets der Beginn der schädigenden Einwirkung auf die versicherte Sache zu sehen und nicht schon der Beginn des Elementarereignisses selbst. Manifestiert sich danach der-schon vor Abschluss der Schadensversicherung - aufgetretene Erdfall erst während der Vertragslaufzeit in dem versicherten Objekt und führt erst dann zu einem Gebäudeschaden, hat der Versicherer auch für diesen Schaden einzustehen.
3. Bei einem - wie hier - sich progressiv entwickelnden Erdfall ändert sich nichts an der Einstandspflicht des Versicherers, wenn sich in den Vertragsbedingungen kein Hinweis darauffindet, dass der Erdfall sich als "plötzliches Ereignis", also quasi als unmittelbar eintretender Einsturz des Erdbodens darstellen müsste.
In den hier einschlägigen Bedingungen (SV-ELW 2002 der Versicherung) findet sich keine Einschränkung auf einen solchen "plötzlichen" und unmittelbaren Zusammenhang zwischen der versicherten Gefahr "Erdfair und dem Gebäudeschaden. Aus § 2 SV-ELW 2002 ergibt sich - für die Leistungspflicht des Versicherers - lediglich, dass die versicherte Sache durch einen Erdfall beschädigt wird. Das bedeutet aber für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer, der sich bei verständiger Würdigung und aufmerksamer Durchsicht der Versicherungsbedingungen bemüht, das Bedingungswerk zu erfassen, dass Ersatz auch dann geleistet wird, wenn sich der Erdfall - d.h. der naturbedingte Einsturz des Erdbodens über natürlichen Hohlräumen - progredient, also über einen längerfristigen Zeitraum entwickelt hatte.
Verfahrensgang
LG Erfurt (Urteil vom 29.12.2006; Aktenzeichen 3 O 153/05) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Erfurt vom 29.12.2006 - 3 O 153/05 - wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert der Berufung wird auf 31.091,71 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Leistungspflicht der Beklagten aus einer Elementarschadens Versicherung.
Sie haben am 17.10.2002 einen - zum 31.12.2002 beginnenden - Wohngebäudeversicherungsvertrag geschlossen, der (auch) eine Elementarschadenversicherung zum Gegenstand hat (Anlage K5, 1/136). Der Elementarschadenversicherung liegen die "Besonderen Bedingungen für die Versicherung weiterer Elementarschäden in der Wohngebäudeversicherung (SV-ELW 2002)" zugrunde (Anlage K4, 1/135). Hiernach hat die Beklagte Entschädigung u.a. zu leisten, wenn das versicherte Gebäude durch einen Erdfall beschädigt wird (§ 2 SV-ELW 2002).
Mit Anzeige vom 31.8.2004 (Anlage K1, I/5) hat der Kläger einen Schaden an der Nord- und Ostseite des (versicherten) Nebengebäudes mitgeteilt. Nicht Gegenstand der Schadensanzeige waren bereits vor 1996 aufgetretenen "Altrisse" an der Südseite, die mit einer 1996 gesetzten - und zum Zeitpunkt der Schadensanzeige noch unversehrten - Gipsplombe gekennzeichnet waren.
Der Kläger behauptet, die Risse am Nebengebäude seien auf einen Erdfall zurückzuführen. Ein solcher habe die im Juli 2004 aufgetretenen Schäden an der Nord- und Ostseite des Gebäudes verursacht. Die Südseite sei nicht unmittelbar vom Erdfall betroffen. Dass die dort vorhandenen alten Putzrisse wieder aufgebrochen sowie die bis zum Juli 2004 unversehrte Gipsplombe zunächst aufgerissen und später sogar abgefallen sei, sei allein auf die Absenkung des nordöstlichen Gebäudeteils zurückzuführen und damit nur mittelbare Folge des Erdfalls.
Die Beklagte verteidigt sich damit, einen Erdfall in Abrede zu stellen. Ein solcher zeichne sich durch seine Plötzlichkeit aus. Von einem plötzlichen Ereignis könne hier aber nicht die Rede sein. Selbst wenn ein (bestrittener) Erdfall vorläge, habe dieser bereits vor 1996 stattgefunden; dies folge aus den "Altrissen" an der Gebäudesüdseite. Eine Einstandspflicht für Schäden, die auf einer Fortsetzung dieses einen vorvertraglichen Erdfalls beruhten, bestünde nicht.
Wegen der (weiteren) Einzelheiten des Sachverhalts und der in der ersten Instanz gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§...