Leitsatz (amtlich)
Art. 237 § 2 Abs. 2 EGBGB findet auf Fälle (unwirksamer) Fiskalerbschaften Anwendung. Die Vorschrift verstößt nicht gegen Art. 14 Abs. 3 GG.
Normenkette
EGBGB Art. 237, 2 Abs. 2; BGB § 894
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Erfurt vom 2.7.2002 – 9 O 620/02 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin – eine Tochtergesellschaft der Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben, die mit der Klägerin unter dem 5.6.1996 einen Geschäftsbesorgungs- und Treuhandvertrag abgeschlossen hat – begehrt von der Beklagten die Zustimmung zur Berichtigung des Grundbuchs für mehrere Grundstücke.
Hinsichtlich dieser war Herr L. im Grundbuch von S., Bd. 19, Bl. 669 eingetragen, der am 18.12.1969 in W. verstarb.
Nach Ausschlagung der Erbschaft durch alle bekannten Erben und nach ergebnislosem Verstreichen der Anmeldefrist im Rahmen der öffentlichen Aufforderung zur Anmeldung von Erbrechten stellte das Staatliche Notariat W. mit Beschluss vom 17.8.1970 – Az.: 4 60 719 70 – fest, dass ein anderer Erbe als die Deutsche Demokratische Republik nicht vorhanden sei.
Am 3.10.1990 war bezüglich der streitgegenständlichen Grundstücke im Grundbuch „Eigentum des Volkes” eingetragen, welches der LPG „F.” als Rechtsträger zugeordnet war.
Auf Ersuchen des Präsidenten der ehemaligen Treuhandanstalt vom 11.4.1997 wurde die Klägerin am 19.6.1997 als Eigentümerin in das bei dem AG S. geführte Grundbuch von S., Bl. 704, eingetragen.
Unter dem 6.5.1997 teilte die Beklagte dem AG W. mit, dass sie nach dem Erblasser Erbin geworden sei, und stellte zu einem späteren, nicht näher genannten Zeitpunkt einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, der am 24.3.1999 – Az.: VI 440/98 – erteilt wurde.
Mit Beschluss des AG W. – Nachlassgericht – vom 8.2.2001 – Az.: VI 440/98 – wurde der Beschluss des Staatlichen Notariats vom 17.8.1970 aufgehoben.
Unter dem 12.4.2001 wurde die Beklagte als Eigentümerin in das Grundbuch von S., nunmehr Bl. 1277, eingetragen.
Hiergegen erwirkte die Klägerin bei dem LG Erfurt mit Urt. v. 19.10.2001 – Az.: 6 O 2243/01 – eine einstweilige Verfügung, worauf unter dem 6.11.2001 im Grundbuch ein Widerspruch gegen die Richtigkeit desselben eingetragen wurde.
Die Klägerin meint, sie habe aufgrund Art. 237 § 2 EGBGB mit Ablauf des 30.9.1998 als Abwicklungsberechtigte Eigentum erworben, da die Beklagte – unstreitig – keine Klage erhoben und keinen Antrag auf Eintragung eines Widerspruchs gestellt hat. Die Beklagte ist der Auffassung, die genannte Vorschrift sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da die Rechtslage entgegen den Voraussetzungen der Vorschrift klar sei. Die Beklagte habe sich jedenfalls bei sinngemäßer Anwendung der Vorschrift durch die Geltendmachung des Erbrechts ggü. dem AG W. gegen das Eigentum der Klägerin gewehrt. Die Vorschrift verstoße jedenfalls gegen Art. 14 GG, da sie eine Legalenteignung ohne Entschädigung darstelle; jedenfalls verstoße sie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Rahmen der Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG.
Das LG hat der Klage stattgegeben.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die weiter die Abweisung der Klage verfolgt. Sie wiederholt im Wesentlichen ihre Rechtsausführungen wie in erster Instanz, rügt eine nicht erschöpfende Erörterung der angesprochenen Rechtsfragen und unterlassene Hinweise des LG.
Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Ergänzend wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der zulässigen, insb. form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung der Beklagten bleibt in der Sache der Erfolg versagt. Das LG hat die Beklagte zutreffend zur Zustimmung zu der Berichtigung des Grundbuchs verurteilt.
1. Mit der seinerzeitigen Eintragung des „Eigentums des Volkes” in das Grundbuch liegt zunächst kein Fall einer Enteignung nach § 1 Abs. 1 lit. a) oder b) VermG vor (vgl. BGH VIZ 2001, 213), so dass der Berichtigungsanspruch nach § 894 BGB i.V.m. Art. 233 § 2 Abs. 1 EGBGB nicht verdrängt wird.
2. Die Voraussetzungen des § 894 BGB liegen vor. Danach kann u.a. derjenige, dessen Recht an einem Grundstück nicht im Grundbuch eingetragen ist, die Zustimmung zu der Berichtigung des Grundbuchs von demjenigen verlangen, dessen Recht durch die Berichtigung be...