Leitsatz (amtlich)
Bei einer Leistungsverfügung - hier Anspruch auf Krankentagegeld - reicht allein die Glaubhaftmachung des Antragstellers zur Begründung eines Anspruchsgrundes nicht aus, wenn die Gegenseite unter Berufung auf eine abweichende gutachtliche Stellungnahme einen Anspruch auf Leistung substantiiert in Abrede stellt. Denn im Gegensatz zur Sicherungsverfügung nimmt eine Leistungsverfügung das Ergebnis der Hauptsache (eines späteren Klageverfahrens) vorweg, schafft also Tatsachen, die u.U. - bei Leistungs-unfähigkeit des Verfügungsklägers und später abgewiesener Klage im Hauptverfahren - zu einem nicht mehr wieder gut zu machenden Schaden führen könnte. Daher kommt eine auf § 940 ZPO gestützte Leistungsverfügung auch nur in seltensten Ausnahmefällen in Betracht.
Normenkette
ZPO § 940
Verfahrensgang
LG Erfurt (Urteil vom 19.08.2008; Aktenzeichen 9 O 1150/08) |
Tenor
Unter Abänderung des Urteils des LG Erfurt vom 19.8.2008 wird der Antrag des Verfügungsklägers vom 28.7.2008 abgewiesen.
Der Verfügungskläger hat die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens (beider Instanzen) zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Verfügungskläger macht im einstweiligen Verfügungsverfahren wegen behaupteter Arbeitsunfähigkeit seit dem 29.3.2008 einen Leistungsanspruch auf Zahlung von Krankentagegeld geltend; er unterhält bei der Verfügungsbeklagten eine private Krankenversicherung mit Einschluss einer Kranken- tagegeldversicherung. Nach den vertraglich vereinbarten MB/KT 2008 und dem vereinbarten Tarif 42 stünde ihm ab dem Ablauf der Karenzzeit (42 Tage) ein Krankentagegeld von 70 EUR pro Tag zu. Voraussetzung nach den genannten Bedingungen ist, dass die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht (s. § 1 Abs. 3 MB/KT 2008).
Im Hinblick auf diese - unstreitige - Vertragsbedingung besteht zwischen den Parteien Streit darüber, ob, wie der Verfügungskläger unter Bezugnahme auf die gutachtliche Stellungnahme der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. U. F. vom 23.6.2008 (Bl. 35 f. d.A.) behauptet, er tatsächlich seit März, spätestens aber seit dem 13.5.2008 wegen Mobbings am Arbeitsplatz durch eine "Burn-out" Problematik (chron. Erschöpfungszustand) vollständig arbeitsunfähig erkrankt ist oder - so die Meinung der Verfügungsbeklagten, gestützt auf das neurologische Gutachten des Facharztes für Nervenheilkunde, Psychiatrie u. Psychotherapie U. J. v. 16.5.2008 - es sich hierbei nur um eine (sog.) konfliktbedingte Arbeitsplatzunverträglichkeit handelt, die einen Anspruch auf Krankentagegeld ausschlösse.
Das LG Erfurt hat auf die weitere Behauptung des Verfügungsklägers, er benötige zur Existenzsicherung die vorläufige Zahlung von Krankentagegeld, diesem ab dem 28.7.2008 mit dem im Tenor aufgeführten Urteil für die Dauer der arbeitsunfähigen Krankschreibung längstens bis zur erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache ein monatliches Krankentagegeld von 1.000 EUR zugesprochen. Es hat dies damit begründet, der Verfügungskläger habe ausreichend einerseits seine Arbeitsunfähigkeit und andererseits seine Bedürftigkeit auf einen "Notunterhalt" glaubhaft gemacht. Wegen der Einzelheiten wird auf das genannte Urteil des LG Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich die Verfügungsbeklagte mit ihrer Berufung, mit der sie sowohl das Vorliegen des Anspruchsgrundes, als auch den Verfügungsgrund in Abrede stellt.
Im Berufungsverfahren hat der Verfügungskläger, der im Übrigen die angefochtene Entscheidung verteidigt, ergänzend vorgetragen, er arbeite seit dem 1.9.2008 wieder.
Die Verfügungsklägerin beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und den Verfügungsantrag abzuweisen.
Der Verfügungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
II. Die statthafte und form- und fristgerechte Berufung der Verfügungsbeklagten hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Antragsabweisung.
Entgegen der Auffassung des LG reicht es bei einer Leistungsverfügung nicht aus, allein auf die Glaubhaftmachung des Verfügungsklägers abzustellen und trotz Streits über die bedingungsmäßige Voraussetzung der vorübergehend völligen Arbeitsunfähigkeit (des Klägers als versicherter Person) eine Klärung der streiterheblichen Frage durch entsprechende Beweiserhebungsmaßnahmen zu unterlassen. Anders als bei der Sicherungsverfügung (dem Normalfall einer einstweiligen Verfügung), nimmt eine Leistungsverfügung das Ergebnis der Hauptsache vorweg, so dass die Glaubhaftmachung des Anspruchs durch den Verfügungskläger hier nicht ausreicht. Es kann nicht sein, dass trotz gravierender Bedenken, ob ein Leistungsanspruch des Klägers auf der Grundlage der unstreitigen Vertragsbedingungen überhaupt gegeben ist - solche Zweifel bestehen schon wegen der eine völlige Arbeitsunfähigkeit ausschließenden Bewertung durch das neurologische Gutachten des Facharztes für Nervenheilkunde und Psy...