Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Anforderungen an die Voraussicht und Sorgfalt auch jugendlicher Personen, die ein Feuerwerk abbrennen, gehört, dass die Feuerwerkskörper nur bestimmungsgemäß abgebrannt werden dürfen und besondere Witterungs- und Bodenbedingungen zu berücksichtigen sind.

2. Das Tragen ungeeigneter, leicht entzündlicher synthetischer Bekleidung beim Silvesterfeuerwerk kann dem durch einen Feuerwerkskörper Geschädigten unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens zugerechnet werden, wenn die Schwere der Verletzungen maßgeblich daraus resultiert.

 

Normenkette

BGB a.F. § 823 Abs. 1, § 847

 

Verfahrensgang

LG Mühlhausen (Urteil vom 10.02.2006; Aktenzeichen 6 O 1185/02)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Mühlhausen vom 10.2.2006 Az. 6 (1) O 1185/02 abgeändert und klarstellend neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld i.H.v. 15.000 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinsatz auf einen Betrag von 5.000 EUR seit dem 11.4.2001 und aus weiteren 10.000 EUR seit 8.11.2002 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin materiellen Schadensersatz i.H.v. 1.763,16 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.018,83 EUR ab 8.11.2002, aus 581,63 EUR seit 17.9.2004, aus 90,95 EUR seit 4.1.2007 und aus 71,75 EUR seit 7.9.2007 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin 50 % des künftigen immateriellen und materiellen Schadens zu ersetzen, der sich aus den Folgen des Brandunfalls vom 1.1.2001 noch ergibt, soweit er nicht auf die Träger der Sozialversicherung oder sonstige Dritte übergegangen ist.

Die weitergehende Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin werden zurückgewiesen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites hat die Beklagte zu 45 %, die Klägerin zu 55 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz, weil sie in der Silvesternacht 2000/2001 von einem durch die Beklagte angezündeten Feuerwerkskörper getroffen worden wäre und dadurch erhebliche Brandverletzungen erlitten habe.

Das LG hat der Klage überwiegend stattgegeben.

Das Gericht sei nach Durchführung der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass sowohl die Verantwortlichkeit für die eingetretene Verletzung bei der Beklagten gegeben sei, als auch die negativen Folgen körperlicher und psychischer Art zu bejahen seien. Es sei deswegen ein Anspruch aus §§ 847 BGB a.F., 823 Abs. 1 BGB gegeben.

Aus den Zeugenaussagen L. L., N. W. und K. R. ergäbe sich, dass der Feuerwerkskörper in relativ kurzer Distanz zur Klägerin durch die Beklagte gezündet worden sei. Ein Abstand von 5 bis 6 m sei nicht ausreichend. Die Beklagte habe die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und damit fahrlässig gehandelt. Auf Grund des zu geringen Sicherheitsabstandes sei den übrigen Personen keine ausreichende Möglichkeit gegeben gewesen, einem auf sie zukommenden Feuerwerkskörper auszuweichen. Genau deswegen sei es auch zu diesem Schadensereignis gekommen.

Das LG geht von einem Mitverschulden der Klägerin i.H.v. ¼ aus. Die Klägerin habe sich bewusst einer gewissen Gefahr ausgesetzt und damit selbst die gebotene Sorgfalt nicht beachtet. Das Gericht gelangt zu einer Festlegung des Schmerzensgeldes i.H.v. 15.000 EUR unter Abwägung aller Gesamtumstände. Hier schließt es sich insbesondere den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B. an. An dessen Ausführungen bestünden keine Zweifel. Ein höheres Schmerzensgeld würde unter Berücksichtigung eines nur geringen Verschuldens auf Seiten der Beklagten sowie einer gewissen Mitverantwortung am Schadensereignis bei der Klägerin nicht angesetzt. Den materiellen Schadensersatz hält das Gericht i.H.v. ¾ insgesamt für erstattungsfähig. Gleichermaßen sei der Feststellungsantrag zu ¾ erfolgreich.

Gegen dieses, ihrem Prozessbevollmächtigten am 15.2.2006 zugestellte Urteil des LG Mühlhausen hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese begründet. Gleichermaßen hat die Klägerin gegen dieses ihrem Prozessbevollmächtigten am 16.2.2006 zugestellte Urteil des LG Mühlhausen form- und fristgerecht Anschlussberufung eingelegt und diese begründet.

Die Beklagte vertritt dabei die Auffassung, der Klägerin stünde kein Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte zu. Die Beklagte rügt eine unvollständige Beweiswürdigung des LG Mühlhausen, wobei die Würdigung aller gehörten Zeugenaussagen zu einer Klageabweisung hätte führen müssen, ...

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