Verfahrensgang
LG Erfurt (Aktenzeichen 4 O 1016/98) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers und die Anschlußberufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 09.03.1999 werden zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 5/6, die Beklagte 1/6.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Wert der Beschwer wird für den Kläger auf 11.708,50 DM, für die Beklagte auf 2.278,37 DM festgesetzt.
Tatbestand
entfällt gemäß § 543 Abs. 1 ZPO
Entscheidungsgründe
Berufung und Anschlussberufung sind zulässig, jedoch unbegründet.
1. Dem Kläger steht eine Ratsgebühr nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BRAGO (nur) in der ausgeurteilten Höhe zu.
Zutreffend geht das Landgericht davon aus, dass das Telefonat am 02.12.1997 – für sich betrachtet – den Tatbestand einer Erstberatung im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 2 BRAGO erfüllt. Gegenstand dieser Erstberatung war der Nachtrag 03, wie die Beweisaufnahme vor dem Landgericht ergeben hat. Die diesbezügliche Beweiswürdigung des Landgerichts ist nicht zu beanstanden.
Der Kläger war zu dieser Beratung zumindest konkludent beauftragt Zwar vermag die Argumentation des Landgerichts insoweit nicht zu überzeugen als es einen diesbezüglichen Auftrag dem Schreiben der Beklagten vom 27.11.1997 entnimmt. Auch die gebotene Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont ergibt nichts anderes, als dass eine weitergehende Beauftragung erst „ins Auge gefasst” wurde Dies verdeutlicht der anschließende Satz, mit dem um Mitteilung der Konditionen gebeten wurde, unter denen der Kläger für die Beklagte tätig sein wolle. Die konkludente Beauftragung ergibt sich aber aus den Gesamtumständen, insbesondere der vorbehaltlosen Annahme der entsprechenden Beratung in dem von der Beklagten initiierten Telefonat unmittelbar vor der Besprechung der Beklagten mit deren Auftraggeberin über den Nachtrag 03.
Nach dieser ersten Beratung am 02.12.1997 kam es zu einer weiteren Tätigkeit des Klägers Aufgrund des Telefax der Beklagten vom 11.12.1997 „mit der Bitte um Rückruf” fertigte der Kläger das Schreiben vom 15.12.1997, mit dem er zu dem Vereinbarungsentwurf der Auftraggeberin der Beklagten Stellung nahm Auf die Ausführungen des angegriffenen Urteils wird auch insoweit Bezug genommen.
Diese weitere Tätigkeit erfolgte in „derselben” Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne, da die Nachtragsforderung aus dem Nachtrag 03 und der Vereinbarungsentwurf über die Abgeltung nachträglich entstandener Kosten einen einheitlichen Lebensvorgang bilden (vgl. Gerold/Schmidt/van Eicken/Madert, BRAGO-Kommentar, § 13 Rn. 5). Damit liegt gebührenrechtlich keine Erstberatung mehr vor, denn der Normbereich der Erstberatungsgebühr endet dann, wenn die erste Beratung beendet oder wegen ihres Beratungsgegenstandes unterbrochen ist, z. B. weil der Ratsuchende weitere Unterlagen beibringen oder der Rechtsanwalt sich zunächst sachkundig machen muss. Wird die Beratung später fortgesetzt oder sucht der Ratsuchende den Rechtsanwalt erneut wegen Zusatzfragen auf, ist der Bereich der Erstberatungsgebühr verlassen (vgl. Gerold u.a., a.a.O., § 20 Rn 11 m.w.N.).
Dem Kläger steht daher dem Grunde nach eine Ratsgebühr nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BRAGO zu.
Für die Bemessung dieser Ratsgebühr ist nur der Wert maßgebend, der Gegenstand der zweiten, die Ratsgebühr nach § 20 Abs. 1 Satz 1 BRAGO letztlich auslösenden Beratung war, also DM 600.000.– Dies ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des § 20 Abs. 1 Satz 2 BRAGO. Zweck der durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 auf Vorschlag des Gebührenrechtsausschusses des deutschen Anwaltvereins eingeführten Erstberatungsgebühr ist es, dem Rechtsuchenden den Gang zum Anwalt zu erleichtern, indem sie ihm die Gewissheit gibt, mit welchen Kosten er für eine solche Beratung mindestens und höchstens zu rechnen hat (Gerold u.a., a.a.O., § 20 Rn 11). Diese Intention des Gesetzgebers würde – nach der Auffassung des Klägers – nur dann greifen, wenn der Mandant nach der Erstberatung keinerlei Dienste des Anwalts in derselben Angelegenheit mehr in Anspruch nimmt, was regelmäßig nur dann der Fall sein wird, wenn er nach der Erstberatung die weitere Verfolgung seines Anliegens für (jedenfalls mit diesem Anwalt) völlig aussichtslos hält. Hingegen würde ein Mandant der nach der Erstberatung sein Anliegen nur zu einem kleinen Teil weiterverfolgen will, von der Regelung nicht profitieren In der Konsequenz wäre es gegebenenfalls günstiger, nach der Erstberatung den Anwalt zu wechseln. Dieses Ergebnis liefe der Zielsetzung des Gesetzgebers ebenso zuwider wie den Interessen der Rechtsuchenden und der Anwaltschaft. Nur wenn die Gebühr in jedem Falle unter 350,00 DM bleibt, ist ein der Erstberatung zugrunde liegender höherer Gegenstandswert beachtlich.
Auch die Festlegung eines Gebührensatzes von 5/10 durch das Landgericht ist – auch in Hinblick auf das Gutachten der Rechtsanwaltskammer – nicht zu beanstanden.
Hiernach ergab sich unter Berücksichtigung des von der Beklagten bereits bezahlten Betrages von DM 484,50 DM der...