Rz. 25
Die Rechtsprechung prüft den wichtigen Grund in 2 Schritten.
Zunächst wird der Frage nachgegangen, ob Tatsachen vorliegen, die abstrakt, also unabhängig vom Einzelfall, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen vermögen (sog. An-sich-Grund, hierzu Rz. 26 ff.).
In einem 2. Schritt nehmen die Gerichte eine umfassende Abwägung der Interessen des Arbeitgebers und derjenigen des Arbeitnehmers vor, um festzustellen, ob die besonderen Umstände des konkreten Falls die Kündigung bedingen. Dabei ist zu beachten, dass die Kündigung ultima ratio ist. Sie darf erst ausgesprochen werden, wenn kein anderes, gleich geeignetes und milderes Mittel greifbar ist. Ein absoluter Kündigungsgrund, der in jedem Fall eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt, existiert deshalb nicht. Dies hat das BAG in der sog. Emmely-Entscheidung noch einmal bekräftigt.
4.1 An-sich-Grund
Rz. 26
Gründe für eine außerordentliche Kündigung sind vielfältig. Sie können sich aus dem Leistungs- (oder Gegenleistungs-) oder Vertrauensbereich ergeben, sie können aber auch auf einer Beeinträchtigung des Betriebsfriedens beruhen. Ausnahmsweise rechtfertigen auch Gründe im Unternehmensbereich (betriebsbedingte Gründe) eine außerordentliche Kündigung.
Rz. 27
Ein Kündigungsgrund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB muss sich im Gegensatz zu § 1 Abs. 2 KSchG nicht in die Kategorien von verhaltens-, personen- und betriebsbedingten Gründen einordnen lassen. Eine solche Einteilung ist indessen bei allen Gründen möglich. Sie ist auch sinnvoll, um die einzelnen Fallgruppen systematisch darzustellen. Dies gilt umso mehr, als sich auch die Rechtsprechung bei mehreren Kündigungsgründen hieran orientiert. Zudem ist prinzipiell jeder Grund, der eine ordentliche Kündigung rechtfertigt, auch ein An-sich-Grund für eine außerordentliche Kündigung. Der Unterschied liegt in der sofortigen Wirkung der außerordentlichen Kündigung und hierfür ist die Interessenabwägung entscheidend (Rz. 36 ff.).
4.1.1 Prognoseprinzip
Rz. 28
Für sämtliche Fallgruppen gilt, dass stets zukünftige Nachteile das Arbeitsverhältnis erschüttern müssen, um eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen (s. bereits Rz. 3). Dieses Prognoseprinzip ist insbesondere für verhaltensbedingte außerordentliche Kündigungen bedeutsam. Die in der Vergangenheit liegende Pflichtverletzung stellt für sich genommen noch keinen Kündigungsgrund dar. Sie kann allerdings ihrerseits derart schwer wiegen, dass das Vertrauen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erheblich gestört und eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Ändert der Arbeitnehmer z. B. sein Verhalten auch nach einer Abmahnung nicht, rechtfertigt dies regelmäßig die Prognose, dass er sich auch weiterhin vertragsuntreu verhalten wird.
Rz. 29
Der Kündigungsgrund muss im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektiv vorliegen; nicht notwendig ist, dass sich der Kündigende dessen bewusst ist. Das Nachschieben von Kündigungsgründen ist grds. möglich (näher dazu Rz. 35).
4.1.2 Verhaltensbedingte Gründe
Rz. 30
Die bedeutendste und in der Praxis häufigste Fallgruppe der außerordentlichen Kündigung ist die verhaltensbedingte. Sie setzt – entsprechend der verhaltensbedingten ordentlichen Kündigung – eine rechtswidrige Pflichtverletzung voraus. Der Gekündigte muss dabei nicht alle fraglichen Handlungen selbst vorgenommen haben, es reicht aus, wenn er dabei mit anderen zusammengewirkt oder die Handlung bewusst ermöglicht hat.
Diese muss i. d. R. schuldhaft verursacht sein. Da allerdings die weit reichende Nebenpflicht der Vertragspartner darin besteht, die Interessen des anderen nicht zu verletzen und außerdem fahrlässige Pflichtwidrigkeit ausreicht (§ 276 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BGB), ist diese Hürde nicht unüberwindbar hoch. Der Grad des Verschuldens ist im Übrigen auch für die Interessenabwägung bedeutsam (s. Rz. 52).
Im Prinzip stellt jede Pflichtverletzung einen sog. An-sich-Grund für eine verhaltensbedingte (außerordentliche) Kündigung dar. Zur Kategorie der verhaltensbedingten Kündigung zählt auch die Verdachtskündigung (s. Rz. 82).
4.1.3 Personenbedingte Gründe
Rz. 31
Prinzipiell können auch personenbedingte Gründe eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen. Erforderlich ist allerdings stets, dass sich diese konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken, ohne dass der ...