Rz. 440

Bei Vermögensdelikten kann der Umfang des dem Arbeitgeber zugefügten Schadens vor allem im Hinblick auf die Stellung des Arbeitnehmers, die Art des entwendeten Guts und die besonderen Verhältnisse des Betriebs besonderes Gewicht für die Beurteilung aufweisen. Objektive Kriterien für eine allein am Wert des entwendeten Gegenstands ausgerichtete Abgrenzung lassen sich nicht aufstellen. Auch geringwertige Sachen sind relevant, insbesondere wenn eine Straftat nicht nur "bei Gelegenheit", sondern in Verletzung der konkreten vertraglich geschuldeten Tätigkeit ausgeübt wird.

 

Beispiel

Zur erfolgreichen Kündigung führte die Verletzung der Obhutspflicht durch Zueignung von in Gewahrsam des Arbeitnehmers stehenden Lebensmitteln.[1]

 

Rz. 441

Eine durch das Verhalten erfolgte Störung des Betriebsfriedens oder eine Schädigung des Ansehens des Arbeitsgebers in der Öffentlichkeit (herabsetzende Äußerungen in sozialen Medien) wirkt sich für den Arbeitnehmer grds. nachteilig aus[2], genauso wie Störungen der innerbetrieblichen Verbundenheit.

 

Beispiel

Die Berichterstattung über eine Straftat des Arbeitnehmers löst bei den Mitarbeitern Empörung und Ängste aus.[3]

 

Rz. 442

Durch ein vertragswidriges Verhalten aufgetretene Betriebsablaufstörungen sind belastend zu berücksichtigen.[4] Eine abstrakte oder konkrete Gefährdung reicht dagegen nicht aus.[5]

 

Beispiel

Die schuldhafte vergeblich abgemahnte Verletzung der vertraglichen Pflicht zur unverzüglichen Anzeige der Arbeitsunfähigkeit kann an sich eine ordentliche Kündigung sozial rechtfertigen. Wenn es dabei zu einer Störung der Arbeitsorganisation oder des Betriebsfriedens gekommen ist, ist das im Rahmen der Interessenabwägung zulasten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen.[6]

 

Rz. 443

Im Einzelfall können, auch wenn die Kündigung kein Disziplinierungsmittel ist, generalpräventive Motive des Arbeitgebers, wie z. B. Gesichtspunkte der Betriebsdisziplin, bei der Interessenabwägung eine Rolle spielen.[7]

 

Beispiel

Bei der Prüfung der Sozialwidrigkeit einer Kündigung wegen tätlichen Angriffs auf einen Arbeitskollegen muss nicht allein darauf abgestellt werden, ob und ggf. wann der Arbeitgeber mit einem weiteren Angriff des betreffenden Arbeitnehmers auf diesen oder einen anderen Kollegen zu rechnen hat. Da der Arbeitgeber alle Mitarbeiter seines Betriebs vor tätlichen Angriffen zu schützen hat, darf er daher auch berücksichtigen, wie es sich auf das Verhalten der übrigen Arbeitnehmer auswirkt, wenn er von einer Kündigung absieht.[8]

[1] BAG, Urteil v. 12.8.1999, 2 AZR 923/98, AP BGB § 626 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 28.
[2] BAG, Urteil v. 24.6.2004, 2 AZR 63/03, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 49.
[3] BAG, Urteil v. 8.6.2000, 2 AZR 638/99, AP BGB § 626 Nr. 163.
[4] BAG, Urteil v. 27.2.1997, 2 AZR 302/96, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 36; BAG, Urteil v. 17.1.1991, 2 AZR 375/90, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 25; BAG, Urteil v. 7.5.2020, 2 AZR 619/19, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 78.
[6] BAG, Urteil v. 16.8.1991, 2 AZR 604/90, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 27.
[7] BAG, Urteil v. 4.6.1997, 2 AZR 526/96, AP BGB § 626 Nr. 137.

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