Cesare Vannucchi, Dr. Marcel Holthusen
Rz. 747
Eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz stellt oftmals eine Versetzung i. S. d. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG dar. Diese bedarf in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten (§ 7 BetrVG) Arbeitnehmern einer Zustimmung des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Entsprechende Regelungen finden sich in § 78 Abs. 1 Nr. 5 BPersVG und den Bestimmungen der Landespersonalvertretungsgesetze.
Verweigert der Betriebsrat nach § 99 BetrVG seine Zustimmung zu einer möglichen Versetzung, fehlt es an einer Weiterbeschäftigungsmöglichkeit, da die Zuweisung der anderweitigen Beschäftigung rechtlich dann nicht möglich ist.
Rz. 748
Teilweise wird angenommen, der Arbeitgeber müsse bei einer Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats zunächst versuchen, die Zustimmung durch das Arbeitsgericht nach § 99 Abs. 4 BetrVG ersetzen zu lassen; erst nach rechtskräftiger Ablehnung der Zustimmungsersetzung könne sodann eine Beendigungskündigung ausgesprochen werden. Fehle es an einem Ersetzungsverfahren müsse die Wirksamkeit der Zustimmungsverweigerung im Kündigungsschutzprozess inzident geprüft werden.
Die Verpflichtung zur Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG geht jedoch zu weit und würde die Arbeitgeberpflichten überspannen. Ein Abwarten einer rechtskräftigen Entscheidung über die Zustimmungsersetzung würde die unternehmerische Organisationsentscheidung für einen zu langen Zeitraum sperren und ist daher nicht zumutbar. Soweit der zuständige Betriebsrat seine Zustimmung nach § 99 BetrVG verweigert hat, ist daher eine Weiterbeschäftigung nicht möglich. Voraussetzung für eine Beendigungskündigung kann somit weder der rechtskräftige Abschluss noch die Einleitung des Zustimmungsersetzungsverfahrens sein.
Nur bei Vorliegen von besonderen Umständen, etwa bei einem offensichtlich unbegründeten Widerspruch zur Versetzung oder in Fällen von kollusivem Zusammenwirken von Arbeitgeber und Betriebsrat kann der Arbeitgeber im Hinblick auf das ultima-ratio-Prinzip verpflichtet sein, das Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen.
Ist eine Weiterbeschäftigung nur auf einem Arbeitsplatz eines anderen Betriebs des Unternehmens möglich, müssen die Betriebsräte beider Betriebe ihre Zustimmung zur Versetzung bzw. Einstellung erteilen. Ähnliches nimmt das BAG auch bei der Überprüfung einer Kündigung eines schwerbehinderten Menschen an. Zwar hat der schwerbehinderte Mensch nach § 164 Abs. 4 SGB IX einen umfangreichen Beschäftigungsanspruch; der Wirksamkeit einer Kündigung steht aber im Regelfall nicht entgegen, dass der Arbeitgeber zur Realisierung der Beschäftigung von der Durchführung eines gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG absieht. Die Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens kann, solange das Vorliegen von Zustimmungsverweigerungsgründen nicht objektiv feststeht, dem Arbeitgeber lediglich im laufenden Arbeitsverhältnis zuzumuten sein. Darüber hinaus folgt aus § 164 Abs. 4 SGB IX allerdings, dass der Arbeitgeber sich auch bei einer etwaigen Änderungskündigung je nach den Umständen nicht ohne Weiteres mit der bloßen Tatsache der Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats zufriedengeben darf, sondern sich um die Zustimmung nach Kräften bemühen muss. Die ihm gegenüber dem schwerbehinderten Arbeitnehmer obliegende Fürsorgepflicht verlangt es, dass er, wenn dies nicht im Verfahren vor dem Integrationsamt bereits ausreichend geschehen ist, den vom Betriebsrat geltend gemachten Gründen nachgeht, gegebenenfalls ihre Konkretisierung verlangt und im Rahmen des ihm Zumutbaren versucht, den Betriebsrat von seiner die Zustimmung verweigernden Haltung abzubringen. Dies kann auch eigene Handlungen des Arbeitgebers – etwa die Hinzuziehung des Betriebsarztes – erforderlich machen. Der Prüfungs- und Handlungsaufwand des Arbeitgebers wird sich regelmäßig danach richten, mit welcher Intensität entsprechende Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bereits in dem Verfahren vor dem Integrationsamt behandelt worden sind.