Prof. Dr. Mark Lembke, Dr. Jens-Wilhelm Oberwinter
Rz. 6
Zweck der Auskunfts- und Beratungspflichten gegenüber dem Betriebsrat bzw. der zuständigen Arbeitnehmervertretung im Rahmen des Konsultationsverfahrens nach § 17 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 6 KSchG ist es, die Einbindung der Arbeitnehmervertreter im Falle weitreichender Personalmaßnahmen sicherzustellen, damit sie die Möglichkeiten der Vermeidung oder Abmilderung von Entlassungen mit dem Arbeitgeber erörtern können (vgl. Art. 2 Abs. 2 MERL). Das in Art. 2 MERL vorgesehene Recht auf Information und Konsultation kommt allerdings nur den Arbeitnehmervertretern zu und nicht dem einzelnen Arbeitnehmer. Das Konsultationsverfahren, namentlich Art. 2 Abs. 3 MERL, gewährt den betroffenen Arbeitnehmern einen kollektiven und keinen individuellen Schutz. Dazu passt die Formulierung des BAG, das Konsultationsverfahren vermittele für die von der Massenentlassung betroffenen Arbeitnehmer einen "kollektiven präventiven Kündigungsschutz", nicht ganz.
Rz. 7
Durch § 17 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 6 KSchG werden insbesondere die Vorschriften über die Unterrichtungs- und Beratungspflichten gegenüber dem Betriebsrat sowie die Pflicht zur Verhandlung von Interessenausgleich und Sozialplan mit dem Betriebsrat im Falle einer Betriebsänderung (§§ 111 ff. BetrVG) ergänzt. Nach der Rechtsprechung des BAG liegt bei einem Personalabbau eine Betriebsänderung i. S. d. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG vor, wenn in einem Betrieb eine größere Anzahl von Arbeitnehmern vom Arbeitsplatzwegfall betroffen ist, wobei als Richtschnur auf die Zahlen- und Prozentangaben des § 17 Abs. 1 KSchG abgestellt werden kann, mit der Maßgabe, dass vom Personalabbau mindestens 5 % der Belegschaft betroffen sein müssen. Dennoch liegt bei einem Personalabbau, der eine Betriebsänderung darstellt, nicht zwingend eine anzeigepflichtige Massenentlassung vor, weil bei der Massenentlassung – anders als bei der Prüfung der Betriebsänderung – der Zeitraum von 30 Kalendertagen nach Abs. 1 Satz 1 zu beachten ist und weil bei der Frage der Überschreitung der Schwellenwerte im Rahmen des § 111 BetrVG auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem die fraglichen Beteiligungsrechte des Betriebsrats entstehen (z. B. Zeitpunkt des Stilllegungsbeschlusses), wohingegen bei der Anzeige nach Abs. 1 der Zeitpunkt vor der Entscheidung über die Entlassung maßgeblich ist (Rz. 46).