Stephanie Thelen, Dieter Gerhard †
Rz. 58
Bei einer verhaltensbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Vorfälle genau bezeichnen, die die Kündigung rechtfertigen sollen sowie ggf. mitteilen, wann weshalb mit welchem Inhalt dem Arbeitnehmer eine einschlägige Abmahnung erteilt worden ist. Es ist sinnvoll und zweckmäßig, der Anhörung eine Abschrift der Abmahnung beizufügen. Der Arbeitgeber muss genau aufzeigen, welches Verhalten sich als Verstoß gegen arbeitsvertragliche Haupt- oder Nebenpflichten darstellt und welche Aspekte in die Interessenabwägung eingeflossen sind; hierzu gehören auch gegen die Kündigung sprechende Aspekte. Im Hinblick auf die Entscheidung des BAG v. 10.6.2010, 2 AZR 541/09 ("Emmely") ist der Betriebsrat auch über den Verlauf des Arbeitsverhältnisses, insbesondere über evtl. aufgetretene Störungen zu informieren (vgl. LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 10.1.2012, 2 Sa 305/11). Der Betriebsrat ist auch über eine evtl. Gegendarstellung des Arbeitnehmers zu informieren (BAG, Urteil v. 31.1.1989, 2 AZR 453/88; LAG München, Urteil v. 29.7.2009, 11 Sa 801/08).
Rz. 59
Will der Arbeitgeber die Kündigung grundsätzlich oder auch nur vorsorglich auf den Verdacht einer Pflichtverletzung stützen, muss er auch dies dem Betriebsrat mitteilen und die Umstände begründen, aus denen er den dringenden Tatverdacht herleitet (BAG, Urteil v. 12.2.2015, 6 AZR 845/13; BAG, Beschluss v. 23.4.2008, 2 ABR 71/07). Der Verdacht einer strafbaren Handlung stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar, der in dem Tatvorwurf nicht enthalten ist. § 626 Abs. 1 BGB lässt eine Verdachtskündigung dann zu, wenn dringende, auf objektiven Tatsachen beruhende schwerwiegende Verdachtsmomente vorliegen und diese geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen bei einem verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber zu zerstören, sofern der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Auflösung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat (BAG, Urteil v. 29.11.2007, 2 AZR 724/06; BAG, Urteil v. 26.9. 2002, 2 AZR 424/01; BAG, Urteil v. 6.11.2003, 2 AZR 631/02). Der Betriebsrat ist auch über die Tatsache und das Ergebnis der Anhörung des Arbeitnehmers zu unterrichten. Die Mitteilung, einem Arbeitnehmer solle wegen Verdachts einer Handlung gekündigt werden, gibt dem Betriebsrat i. d. R. einen weit stärkeren Anlass für ein umfassendes Tätigwerden im Anhörungs- bzw. im Zustimmungsersetzungsverfahren als eine Beteiligung wegen einer als erwiesen behaupteten Handlung oder Pflichtverletzung. Der Betriebsrat kann sich in diesen Fällen veranlasst sehen, von einer eigenen Stellungnahme abzusehen und die Klärung des Tatvorwurfs dem Kündigungsschutzverfahren zu überlassen. Gibt der Arbeitgeber dagegen selbst zu erkennen, er hege lediglich einen Verdacht gegen den Arbeitnehmer, so erhebt der Betriebsrat erfahrungsgemäß eher nachdrückliche Gegenvorstellungen (vgl. hierzu BAG, Beschluss v. 23.4.2008, 2 ABR 71/07). Hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zunächst nur zu einer verhaltensbedingten Tatkündigung gehört, kann er bei späterer Nichterweislichkeit einer Pflichtverletzung die Kündigung nicht auf den bloßen Verdacht stützen, wenn er den Betriebsrat hierzu nicht ausdrücklich gehört hat (BAG, Urteil v. 26.9.2002, 2 AZR 424/01). Insoweit liegt ein unzulässiges Nachschieben von Kündigungsgründen vor. Sind dem Betriebsrat im Rahmen einer Anhörung zu einer Verdachtskündigung aber bereits alle Tatsachen mitgeteilt worden sind, die – ggf. auch im Rahmen eines zulässigen Nachschiebens von Kündigungsgründen – nicht nur den Verdacht, sondern den Tatvorwurf selbst begründen, kann damit der Nachweis einer Pflichtwidrigkeit anerkannt werden (BAG, Urteil v. 23.6.2009, 2 AZR 474/07).
Rz. 60
Gemäß § 102 Abs. 1 S. 2 KSchG sind dem Betriebsrat die verhaltensbedingten Gründe für die Kündigung auch dann mitzuteilen, wenn das Arbeitsverhältnis (noch) nicht dem allgemeinen Kündigungsschutz unterliegt.