Rz. 10
Mit einer geplanten Betriebsänderung ist sehr häufig ein Personalabbau verbunden. In solchen Fällen kann im Rahmen eines Interessenausgleichs zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber vereinbart werden, dass bestehende Arbeitsverträge geändert, aufgehoben oder gekündigt werden.
Neben pauschal umschriebenen Maßnahmen können in einem Interessenausgleich auch konkrete personelle Einzelmaßnahmen festgeschrieben werden.
Um zu vermeiden, dass betroffene Arbeitnehmer sich erfolgreich gegen Kündigungen mit dem Argument einer nicht ordnungsgemäßen Sozialauswahl zur Wehr setzen, ist es empfehlenswert, bereits im Interessenausgleich namentlich alle Arbeitnehmer, denen aufgrund der Betriebsänderung (betriebsbedingt) gekündigt werden muss, zu benennen. Allerdings wird sich der Betriebsrat darauf nicht ohne weiteres einlassen, denn die namentliche Benennung der zu kündigenden Arbeitnehmer im Interessenausgleich führt wegen der Regelung des § 1 Abs. 5 KSchG zu einer erheblichen Verschlechterung der Position der Arbeitnehmer in einem eventuellen Kündigungsschutzverfahren. Hier wird dann das Vorliegen eines betriebsbedingten Kündigungsgrundes vermutet und die Sozialauswahl kann insgesamt nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Da die Namensliste Bestandteil des Interessenausgleichs ist, gilt auch für sie, dass sie nur von Arbeitgeber und Betriebsrat freiwillig vereinbart werden kann. Auf die Vereinbarung einer solchen Namensliste wird sich der Betriebsrat oftmals nur einlassen, wenn der Arbeitgeber als "Gegenleistung" bereit ist, mehr Mittel für den abzuschließenden Sozialplan zur Verfügung zu stellen.
Eine andere deutlich weniger einschneidende Kündigungserleichterung sieht § 1 Abs. 4 KSchG mit Auswahlrichtlinien bezüglich der Gewichtung der Kriterien der Sozialauswahl für die notwendigen Kündigungen vor.
2.2.2.1 Namenslisten
Rz. 11
Nach der seit dem 1.1.2004 geltenden Fassung des § 1 Abs. 5 KSchG können in einen Interessenausgleich Namenslisten über zu kündigende Mitarbeiter aufgenommen werden. Die Namensliste begründet die gesetzliche Vermutung, dass die nachfolgende Kündigung durch dringende betriebliche Gründe gerechtfertigt war. Diese Bestimmung hat mit im Wesentlichen gleichen Wortlaut bereits von 1996 bis 1998 gegolten; zu den damaligen Bestimmungen bereits vereinzelt ergangene Rechtsprechung kann daher Wirkungen auf die jetzige Formulierung haben. § 1 Abs. 5 KSchG findet keine Anwendung auf außerordentliche betriebsbedingte Kündigungen (BAG, Urteil v. 28.5.2009, 2 AZR 844/07). Der Arbeitgeber muss nachweisen, dass es sich um eine betriebsbedingte Kündigung im Rahmen der vom Interessenausgleich beschriebenen Maßnahme handelt – auch darum ist es wichtig, die Maßnahme, die von Interessenausgleich erfasst wird, möglichst genau zu beschreiben. Eine Namensliste kann nur für solche Arbeitnehmer erstellt werden, für die der Betriebsrat Regelungsbefugnis besitzt – also nicht für leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG. Die Art der auszusprechenden Kündigung – Änderungs- oder Beendigungskündigung – muss im Interessenausgleich festgelegt werden.
Rz. 12
Die Namensliste muss den Formerfordernissen des Interessenausgleichs genügen, also insbesondere schriftlich als Teil des Interessenausgleichs festgelegt sein (s. o. Rz. 7). Die Schriftform erfordert, dass der Text unterschrieben wurde (§ 126 BGB). Dem genügt es nicht, wenn die Namensliste ohne Unterschrift dem Interessenausgleich lose beigefügt wurde. Die Rechtsprechung fordert vielmehr eine feste Verbindung der Teile z. B. mittels Heftmaschine (BAG, Urteil v. 6.12.2001, 2 AZR 422/00).
Rz. 13
Die Namensliste begründet die gesetzliche Vermutung, dass die nachfolgende Kündigung durch dringende betriebliche Gründe gerechtfertigt ist.
Im Kündigungsschutzprozess muss der Arbeitnehmer daher darlegen und ggf. beweisen, dass keine dringenden betrieblichen Erfordernisse vorlagen. Ferner ist die soziale Auswahl der auf der Namensliste als zu kündigen bezeichneten Arbeitnehmer nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüfbar. Bei der Festlegung billigte die Rechtsprechung den Betriebsparteien im Rahmen der wortgleichen Bestimmung aus den Jahren 1996 bis 1998 einen weiten Beurteilungsspielraum zu. Eine grobe Fehlerhaftigkeit nimmt das BAG nur an, wenn die Auswahl jegliche Ausgewogenheit vermissen lässt (BAG, Urteil v. 21.1.1999, 2 AZR 624/98). Die Vermutungswirkung erstreckt sich auch auf die Gruppenbildung sowie auf das Nichtvorliegen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit im Betrieb (BAG, Urteil v. 7.5.1998, 2 AZR 536/97).
Prozessuale Situation
Die Vermutungsregelung des § 1 Abs. 5 KSchG führt im Prozess dazu, dass der Arbeitgeber weite Teile der Kündigungsvoraussetzungen nicht mehr vortragen muss, sondern dass diese Last nunmehr den Arbeitnehmer trifft. Der Arbeitgeber muss nur noch vortragen,
- dass der Interessenausgleich wegen einer bestimmten Betriebsänderung rechtswirksam zustande gekommen ist,
- dass der Arbeitnehmer wegen der diesem Interessenausgleich zugrunde liegenden Betrieb...