Rz. 2
Die Einberufung der weiteren Sitzungen des Betriebsrats regelt § 29 Abs. 2 bis 4 BetrVG, und zwar sowohl hinsichtlich des Verfahrens der Einberufung als auch teilweise hinsichtlich der Teilnahmeberechtigung an der Sitzung. Die Vorschrift ist von großer praktischer Bedeutung, weil Verstöße hiergegen zur Unwirksamkeit des Betriebsratsbeschlusses führen können. Sie ist damit auch für den Arbeitgeber von erheblicher Wichtigkeit, denn immer dann, wenn sich ein Betriebsratsbeschluss als unwirksam erweist, stellt sich die Frage, ob darauf beruhende Maßnahmen des Arbeitgebers ebenfalls damit ihre Grundlage verlieren.
§ 29 Abs. 2 BetrVG regelt dabei nicht alleine die Voraussetzungen für einen wirksamen Betriebsratsbeschluss; daneben ist auch § 33 BetrVG als Vorschrift über die eigentliche Beschlussfassung von ebenso großer praktischer Bedeutung.
3.1 Zeitpunkt und Häufigkeit der weiteren Sitzungen
Rz. 3
Die weiteren Sitzungen ruft der Betriebsratsvorsitzende nach § 29 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ein. Dabei hat er die Häufigkeit der Sitzungen nach pflichtgemäßem Ermessen festzulegen; sie richtet sich insbesondere nach dem Umfang der zu erledigenden Aufgaben. Auch den Zeitpunkt hat er nach pflichtgemäßem Ermessen festzulegen. Dabei ist § 30 BetrVG zu beachten. Grundsätzlich ist der Zeitpunkt so zu wählen, dass möglichst viele Betriebsratsmitglieder in ihrer regelmäßigen Arbeitszeit hieran teilnehmen können.
Nach § 29 Abs. 3 BetrVG ist der Vorsitzende verpflichtet, zum nächstmöglichen Termin eine Sitzung einzuberufen, wenn dies ein Viertel der Mitglieder des Betriebsrats oder der Arbeitgeber beantragt. Dieser Antrag ist formlos möglich und an den Vorsitzenden zu richten, setzt aber voraus, dass dabei die Behandlung eines konkreten Tagesordnungspunkts verlangt wird, den der Vorsitzende bei Einberufung der Sitzung auf die Tagesordnung zu setzen hat. Beruft er keine Sitzung ein oder nimmt er den beantragten Tagesordnungspunkt nicht auf, verstößt er gegen seine betriebsverfassungsrechtlichen Pflichten.
3.2 Die Festlegung der Tagesordnung
Rz. 4
Auch die Tagesordnung wird vom Vorsitzenden nach pflichtgemäßem Ermessen festgelegt; sofern nicht § 29 Abs. 3 BetrVG eingreift, hat er in jedem Fall die Tagesordnungspunkte festzusetzen, deren Behandlung besonders dringlich ist, z. B. wegen laufender Fristen. Neben Arbeitgeber und einem Viertel der Mitglieder des Betriebsrats kann auch die Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 4 Satz 1 SGB IX verlangen, eine Angelegenheit, die die Schwerbehinderten oder einzelne von ihnen besonders betrifft, auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung zu setzen. Die Einberufung einer Sitzung kann die Schwerbehindertenvertretung hingegen nicht verlangen.
3.3 Die Einladung zur Sitzung
3.3.1 Praktische Bedeutung
Rz. 5
Der Vorsitzende – im Verhinderungsfall sein Stellvertreter – hat die Mitglieder des Betriebsrats nach § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG rechtzeitig und unter Mitteilung der Tagesordnung zur Betriebsratssitzung zu laden. Voraussetzung ist also, dass
- die Mitglieder des Betriebsrats, einschließlich zu ladender Ersatzmitglieder
- rechtzeitig eingeladen werden, und
- ihnen ebenso rechtzeitig die Tagesordnung mitgeteilt wird.
Dies ist eine zwingende Voraussetzung für einen wirksamen Betriebsratsbeschluss (BAG, Urteil v. 28.4.1988, 6 AZR 495/86). Bestreitet der Arbeitgeber oder auch der Arbeitnehmer einen wirksamen Betriebsratsbeschluss, so hat derjenige, der aus ihm Rechte herleiten will, die Wirksamkeit des Beschlusses im arbeitsgerichtlichen Verfahren darzulegen und zu beweisen.
Beispiele:
Beschlüsse über
- Schulungsteilnahme von Betriebsratsmitgliedern nach § 37 Abs. 6 BetrVG
- Widerspruch gegen eine Kündigung nach § 102 Abs. 3 BetrVG
- Verweigerung der Zustimmung zu einer personellen Einzelmaßnahme nach § 99 BetrVG Einleitung eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens gegen den Arbeitgeber
- Anrufen der Einigungsstelle
- Bestellung von Beisitzern für eine Einigungsstelle
- Honorarzusagen an Beisitzer
- Beauftragung eines Rechtsanwalts
- Anschaffung von Sachmitteln nach § 40 BetrVG
- Beschluss über den Abschluss einer Betriebsvereinbarung
- Beschluss über den Abschluss eines Interessenausgleichs – ggf. mit Namensliste nach § 1 Abs. 5 KSchG
Auch für den Arbeitgeber stellt die Missachtung der Regelungen des § 29 BetrVG ein erhebliches Risiko dar.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben im Zuge von Massenentlassungen einen Interessenausgleich nach § 111, § 112 Abs. 1 BetrVG geschlossen, in dem sie die zu kündigenden Arbeitnehmer namentlich benannt haben. Im Hinblick auf die für den Arbeitgeber vorteilhaften Wirkungen im Kündigungsschutzprozess hat der Arbeitgeber – um die Zustimmung des Betriebsrats hierzu zu erhalten,– die Mittel für den Sozialplan erheblich aufgestockt. Nachdem die Kündigungen ausgesprochen sind, stellt sich heraus, dass der Beschluss des Betriebsrats zur Zustimmung zum Interessenausgleich unwirksam ist, weil ein Betriebsratsmitglied nicht ordnungsgemäß eingeladen worden war.
Arbeitgeber und Betriebsrat haben 1988 eine Betriebsvereinbarung geschlossen, mit der sie die nicht mehr finanzierbare betriebliche Altersversorgung abgesenk...