Leitsatz
Die Parteien stritten um Kindes- und Ehegattenunterhalt. Erstinstanzlich war der Beklagte zur Zahlung wechselnder Beträge verurteilt worden. Das AG hatte im Hinblick darauf, dass die Klägerin die gemeinschaftlichen minderjährigen Kinder betreute, aufseiten des Beklagten den notwendigen Selbstbehalt angesetzt und diesen unter Hinweis auf seine Erwerbslosigkeit auf 770,00 EUR gekürzt.
Mit seiner Berufung machte der Beklagte geltend, sein Selbstbehalt sei vom AG zu niedrig angesetzt. Sein Rechtsmittel hatte Erfolg.
Sachverhalt
Siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG hielt eine Herabsetzung des Selbstbehalts des Beklagten im Hinblick auf dessen Erwerbslosigkeit für nicht gerechtfertigt. Es sei vielmehr von einem ungekürzten notwendigen Selbstbehalt des Beklagten i.H.v. 890,00 EUR auszugehen.
Im Hinblick auf den notwendigen Selbstbehalt (§ 1603 Abs. 2 BGB) sei eine Differenzierung zwischen Erwerbslosen und Erwerbstätigen nicht gerechtfertigt. Insoweit hielt der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht fest. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ende die finanzielle Leistungsfähigkeit dort, wo der Unterhaltspflichtige nicht mehr in der Lage sei, seine eigene Existenz zu sichern. Die Frage, ob diese Beurteilung anhand der in den unterhaltsrechtlichen Leitlinien der OLG aufgestellten Selbstbehaltsbeträge oder nach den sozialhilferechtlichen Regelsätzen vorzunehmen sei, habe das BVerfG dahinstehen lassen (vgl. BVerfG FamRZ 2001, 1685, 1686).
Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH FamRZ 1989, 272, 273; 184, 1000) umfasse der notwendige Selbstbehalt i.S.v. § 1603 Abs. 2 BGB die Mittel, die einer Person auch in einfachsten Lebensverhältnissen für den eigenen Unterhalt verbleiben müssten, wobei dieser Wert üblicherweise mit einem Betrag angesetzt werde, der etwas über den Sätzen der Sozialhilfe liege (vgl. BGH FamRZ 1993, 44). In Anbetracht dessen sähen die unterhaltsrechtlichen Leitlinien der meisten OLG eine - vom BGH nicht beanstandete - Differenzierung der Beträge für den notwendigen Selbstbehalt vor.
Wenn dem Unterhaltsschuldner von seinem Einkommen ein Betrag verbleiben müsse, den er für seinen Lebensbedarf benötige, habe eine bedarfsorientierte Bestimmung des Selbstbehalts zu erfolgen. In diesem Falle könne sich die Höhe der Einkünfte, auf die eine Person für den Lebensbedarf notwendig angewiesen sei, nicht danach unterscheiden, ob eine Erwerbstätigkeit ausgeübt werde oder nicht. Insoweit sei nicht ersichtlich, dass eine erwerbslose Person günstiger lebe als ein Erwerbstätiger, zumal ihr häufig nicht unerhebliche Bewerbungskosten entständen.
Hinweis
Das OLG Celle hat hier erfreulich praxisnah entschieden, zumal tatsächlich nicht einleuchtet, weswegen der Selbstbehalt eines nicht Erwerbstätigen niedriger sein soll als der eines erwerbstätigen Unterhaltsschuldners. Der Selbstbehalt umfasst ohnehin nur die Beträge, die der Unterhaltsschuldner für den eigenen elementaren Lebensbedarf benötigt. Eine Unterscheidung zwischen Erwerbslosigkeit und Erwerbstätigkeit erscheint daher tatsächlich nicht gerechtfertigt.
Nach wie vor wird die Frage des Selbstbehalts in der Rechtsprechung und Literatur sehr kontrovers diskutiert. Die Rechtsprechung der OLG hierzu ist uneinheitlich.
Link zur Entscheidung
OLG Celle, Urteil vom 01.02.2008, 21 UF 195/07