David Elischer, Dr. Magdalena Pfeiffer
Rz. 56
Wieder eingeführt ist auch das im Jahr 1964 abgeschaffte Vermächtnis, das wie im deutschen Recht nur schuldrechtliche Wirkung hat. Als ein wesentlicher Vorteil wurde vom Gesetzgeber angesehen, dass ein Vermächtnisnehmer – im Gegensatz zum Erben, dem eine bestimmte Sache zugewandt werden soll –, mangels Erbenstellung nicht für Schulden des Erblassers haftet und auch nicht am Nachlassverfahren zu beteiligen ist. Dadurch werde das Nachlassverfahren beschleunigt, das ansonsten oftmals durch Streitigkeiten der Erben verzögert werde. Die Verfahrensbeschleunigung ergibt sich auch daraus, dass der Vermächtnisnehmer am Nachlassverfahren nicht beteiligt ist.
Rz. 57
Das Vermächtnis ist ausführlich in den §§ 1594 ff. ZGB geregelt. Der Erblasser kann jede beliebige Sache oder Forderung vermachen. Der Erblasser kann auch zugunsten eines Erben ein Vorausvermächtnis anordnen. Beschwert sind stets alle Miterben im Verhältnis ihrer Erbteile, soweit der Erblasser nicht ein anderes anordnet. Ein Vermächtnisnehmer selbst kann mit einem Untervermächtnis belastet werden. Gegenstand des Vermächtnisses kann auch eine Sache sein, die dem Erben oder Vermächtnisnehmer gehört.
Rz. 58
Möglich ist ferner, dass der Erblasser einen Ersatzvermächtnisnehmer oder einen Nachvermächtnisnehmer bestimmt. Alle Vorschriften über den Ersatzerben oder über die Vor- und Nacherbschaft gelten entsprechend.
Rz. 59
Sofern eine vermachte Sache oder Forderung vernichtet, veräußert oder sonst wesentlich verändert wird, wird vermutet, dass das Vermächtnis widerrufen ist.
Rz. 60
Um die Erben nicht unangemessen zu benachteiligen, muss jedem Erben aus dem Nachlass mindestens ein Viertel verbleiben, das nicht mit einem Vermächtnis belastet ist. Andernfalls kann der Erbe eine anteilige Kürzung des Vermächtnisses verlangen. Ist der Nachlass nahezu erschöpft und macht der Erbe von der Möglichkeit der anteiligen Kürzung keinen Gebrauch, kann er sich zur Beschränkung seiner Haftung die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses vorbehalten (siehe Rdn 136 f.).
Rz. 61
Für den Fall, dass kein Testamentsvollstrecker benannt ist und der Erbe den Anspruch nicht erfüllen mag, kann das Nachlassgericht auf Antrag des Vermächtnisnehmers einen Nachlassverwalter zur Erfüllung dieser Aufgabe bestimmen oder einen bereits ernannten Nachlassverwalter mit der Erfüllung des Vermächtnisses betrauen.
Rz. 62
Die Übereignung des vermachten Vermögenswertes erfolgt nach den allgemeinen Vorschriften über den Eigentumserwerb (§ 1621 ZGB). Der Rechtsgrund ist die Verfügung von Todes wegen. Eine bewegliche Sache muss daher lediglich übergeben werden, eine Immobilie muss aufgrund einer öffentlich beglaubigten Erklärung der beschwerten Person oder des Testamentsvollstreckers im Kataster umgeschrieben werden. Die Eintragung des Vermächtnisnehmers im Kataster erfolgt grundsätzlich ohne Zwischeneintragung des Erben.
Rz. 63
Da der Vermächtnisnehmer nicht am Nachlassverfahren beteiligt wird, darf das Nachlassgericht zu seinem Schutz das Nachlassverfahren erst beenden, wenn ihm nachgewiesen ist, dass der Vermächtnisnehmer von seinem Anspruch verständigt worden ist (§ 1691 Abs. 1 ZGB und § 184 BGVG). Bei bestimmten schutzwürdigen Personen und bei Vermächtnissen zugunsten von juristischen Personen mit öffentlichem Interesse muss das Vermächtnis vor der Beendigung des Nachlassverfahrens erfüllt oder sichergestellt sein.