Prof. Dr. Christian Rumpf
Rz. 185
Die Verschmelzung (birleşme) war unter dem alten HGB nur zwischen Gesellschaften derselben Rechtsform zulässig (Art. 146 ff. HGB a.F.); man war darauf angewiesen, ggf. zunächst eine Umwandlung durchzuführen. Seit der Reform durch das HGB 2012 können Kapitalgesellschaften ohne Rücksicht auf die Rechtsform miteinander oder mit einer Genossenschaft verschmolzen werden; die Verschmelzung mit Personengesellschaften ist zulässig, sofern die Kapitalgesellschaft übernimmt und die Personengesellschaft übernommen wird (Art. 137 HGB). Art. 139 HGB sieht jetzt ausdrücklich die Verschmelzung als Mittel der Sanierung vor. So kann die insolvenzreife Gesellschaft übernommen werden, wenn die übernehmende Gesellschaft in der Lage ist, das Kapitaldefizit zu füllen (Art. 139 HGB). Bei Übernahme setzt die Verschmelzung eine Kapitalerhöhung bei der übernehmenden Gesellschaft voraus, um die Rechte der Gesellschafter der übernommenen Gesellschaft schützen zu können (Art. 142 Abs. 1 HGB).
Rz. 186
Die Verschmelzung setzt den Verschmelzungsbeschluss aller beteiligten Gesellschaften voraus (Art. 151 HGB), der mit einer Mehrheit von drei Viertel des Kapitals und drei Vierteln der Gesellschafter zu fassen ist. In Art. 145 f. HGB ist zudem das Erfordernis eines schriftlichen Fusionsvertrages niedergelegt. Auch hier gilt, dass prinzipiell die letzten Bilanzen gelten sollen, sofern sie nicht älter als sechs Monate sind und keine wesentlichen wirtschaftlichen Änderungen vorliegen; andernfalls ist eine Zwischenbilanz zu erstellen (Art. 144 HGB). Ferner ist ein Ablösungsplan (Art. 147 HGB: Fusionsplan bzw. Fusionsbericht) für die Verbindlichkeiten aufstellen.
Rz. 187
Für den Verschmelzungsbeschluss gelten differenzierte Regelungen (Art. 151 HGB), je nachdem, welche Gesellschaftsformen involviert sind. Wird eine GmbH durch eine Genossenschaft übernommen, muss die Generalversammlung der Genossenschaft mit drei Viertel der Stimmen entscheiden. Übernimmt eine Aktiengesellschaft, muss diese mit drei Viertel der anwesenden Stimmen entscheiden, die die einfache Mehrheit des Kapitals repräsentieren müssen. Übernimmt die GmbH, so entscheidet deren Generalversammlung mit drei Viertel der Gesellschafter, die auch drei Viertel des Kapitals vertreten müssen. Führt der Fusionsvertrag zu zusätzlichen Lasten für die Gesellschafter, ist Einstimmigkeit erforderlich. 90 % der anwesenden Stimmen sind erforderlich, wenn mit dem Fusionsvertrag Abfindungen für das Ausscheiden vorgesehen sind.
Rz. 188
Die Verschmelzung wird mit der Eintragung in das Handelsregister wirksam. Der Gläubigerschutz wird in der Weise bewirkt, dass die Gläubiger nach dem Eintritt der Wirksamkeit drei Monate Zeit haben, der übernehmenden Gesellschaft ihre Forderungen anzuzeigen, die dann Sicherheit zu stellen hat. Die übernommenen Gesellschaften haben ihre Gläubiger durch drei Bekanntmachungen, die im Rhythmus von sieben Tagen im Handelsregisterblatt zu erscheinen haben und ggf. auf der Internetseite veröffentlicht werden müssen, auf ihre Rechte hinzuweisen (Art. 157 HGB). Ein Recht der Gläubiger, die Verschmelzung anzufechten, enthält das neue HGB nicht. Die übernehmende Gesellschaft tritt die Gesamtrechtsnachfolge der übernommenen Gesellschaften an.
Rz. 189
Das HGB sieht in Art. 155 f. HGB zudem eine vereinfachte Fusion vor. Diese greift, wenn die übernehmende Gesellschaft ohnehin schon im Besitz aller Anteile der zu übernehmenden Gesellschaft ist. Hat die übernehmende Gesellschaft nur 90 % der Anteile, kann sie die vereinfachte Übernahme dennoch vornehmen, indem sie die Minderheit auszahlt oder ihr gleichwertige, nachschusspflichtfreie Anteile an der übernehmenden Gesellschaft anbietet. Die Vereinfachung besteht darin, dass im Fusionsvertrag bzw. im Fusionsbericht die komplexen Bewertungsformalien entfallen, die mit dem Übergang der Anteile der übernommenen Gesellschaft auf die übernehmende Gesellschaft eingehalten werden müssen.