Prof. Dr. Christian Rumpf
Rz. 240
Niederlassungen (şube) sind unabhängige Einheiten, die Gesellschaften neben dem Register(haupt)sitz an weiteren Orten errichten. Zu unterscheiden sind grundsätzlich die "selbstständige" und die "unselbstständige" Niederlassung.
Rz. 241
Hier interessant ist die unselbstständige Niederlassung. Gemeint ist damit eine Niederlassung, die nicht in eigener gesellschaftsrechtlicher Rechtsform, sondern als weitere Betriebsstätte der Muttergesellschaft errichtet und ins Handelsregister eingetragen wird. Die Gründung einer Niederlassung im Ausland wird gesetzlich nur in Form von Ausnahmen geregelt, wie etwa Art. 14 Bankwesengesetz, der die Eröffnung einer Niederlassung im Ausland von einer Genehmigung der Bankenaufsichts- und Regulierungsbehörde abhängig macht; diese Regelung ist aber für die GmbH ohne Bedeutung, da eine Bank ohnehin nur in der Form einer AG gegründet werden kann.
Rz. 242
Umgekehrt ist die Frage der Zulassung von Niederlassungen ausländischer Kapitalgesellschaften im Inland eine Frage des freien Kapitalverkehrs, der Freiheit der Niederlassung und einer ausländischem Kapital gegenüber freundlichen Investitionspolitik. Demzufolge können ausländische Kapitalgesellschaften Niederlassungen in der Türkei eintragen lassen und unterhalten.
Rz. 243
Im Übrigen unterliegen die Niederlassungen im Inland den Bestimmungen des HGB. Sie sind gem. Art. 40 Abs. 3 HGB, Art. 122 HR-VO beim örtlich zuständigen Handelsregister ausdrücklich als Niederlassung (Zweigstelle) einzutragen. Dabei spielt es keine Rolle, ob sich der Hauptsitz im Inland oder im Ausland befindet.
Rz. 244
Anders als das "Verbindungsbüro" (irtibat bürosu), das mit Genehmigung durch das Industrie- und Technologieministerium (Sanayi ve Teknoloji Bakanlığı) durch eine ausländische Kapitalgesellschaft gegründet werden kann, aber keine eigene Geschäftstätigkeit entfalten darf, wird mit der "Niederlassung" (şube) eine kaufmännische Betriebsstätte errichtet, die eigene Geschäfte abwickeln darf und dementsprechend auch den Buchführungspflichten (Verbindungsbüro: Berichtspflichten) unterliegt. Für Geschäfte der Niederlassung gibt es den Gerichtsstand der Niederlassung (Art. 14 Abs. 1 ZPO). Die Niederlassung ist indessen nicht separat konkursfähig, weshalb das Konkursverfahren ggf. am Hauptsitz zu eröffnen ist (Art. 154 ZVG). Ist der Hauptsitz nicht gleichzeitig Schwerpunkt der Geschäftstätigkeit, kann das Konkursverfahren auch am Sitz der Niederlassung eröffnet werden, richtet sich aber auch dann gegen die Gesellschaft insgesamt. Ob der Hauptsitz der Gesellschaft sich im In- oder Ausland befindet, spielt aus der Sicht des türkischen Rechts keine Rolle. Die unselbstständige Niederlassung ist im örtlichen Handelsregister einzutragen (Art. 40 Abs. 3 HGB).
Rz. 245
Die Niederlassung eines ausländischen Unternehmens muss diesen Umstand in seiner Firma zu erkennen geben (Art. 48 Abs. 3 HGB). Die Niederlassung der Müller Werkzeugbau GmbH, die in Stuttgart im Handelsregister eingetragen ist, wird in der Türkei also die Firma "Müller Werkzeugbau GmbH Sitz Stuttgart/Deutschland – Niederlassung Sitz Istanbul" führen.
Rz. 246
Dagegen wird die "selbstständige" Niederlassung als eigene Kapitalgesellschaft gegründet und unterliegt als Tochtergesellschaft den allgemeinen Vorschriften und Bedingungen selbstständiger Kapitalgesellschaften. Einschränkungen können sich infolge der Verknüpfung im Konzern (şirketler topluluğu, siehe Art. 195 HGB) bezüglich Haftungsfragen ergeben.