Rz. 159
Die elterliche Sorge wird während der Ehe von beiden Elternteilen gleichberechtigt ausgeübt. Bei Trennung oder Scheidung kann das Gericht die alleinige elterliche Sorge auf ein Elternteil übertragen (Art. 336 türkZGB).
Rz. 160
Das Gericht hört nach Möglichkeit die Eltern und ggf. den Vormund an und regelt mit dem Scheidungs- oder Trennungsurteil die Rechte der Eltern bezüglich des Kindes (Art. 182 Abs. 1 türkZGB). Bei der Regelung des Umgangsrechts zwischen dem Kind und dem Ehegatten, dem die Ausübung des Sorgerechts nicht übertragen wurde, wird das Kindeswohl zugrunde gelegt (Art. 182 Abs. 2 türkZGB). Das Gericht kann von Amts wegen oder auf Begehren eines Elternteils die notwendigen Schutzmaßnahmen zum Kindeswohl treffen, falls Veränderungen der Verhältnisse dies erfordern (Art. 183 türkZGB). Das türkische Recht kennt im Gegensatz zum deutschen oder schweizerischen Recht kein gemeinsames elterliches Sorgerecht.
Rz. 161
Sollte ein Elternteil den Umgang des anderen Elternteils mit dem Kind verhindern oder das Kind dem sorgeberechtigten Elternteil entziehen, kann der andere Elternteil gem. Art. 25 bzw. 25a türkVollstreckungs- und Insolvenzgesetz einen richterlichen Beschluss erwirken, dessen Vollstreckung jedoch der Rechtskraft bedarf. Der betroffene Elternteil kann aber gem. Art. 101 Abs. 4 türkZPO beim Gericht eine einstweilige Verfügung beantragen. In seinen Urteilen von 1986, 1997 und 2004 hat der türkische Kassationshof entschieden, dass der schuldige Elternteil sich an den Vollstreckungskosten beteiligen muss.
Rz. 162
Die Türkei hat das "Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980" bereits am 3.11.1999 ratifiziert. Die für die Anwendung dieses Abkommens zuständige Behörde ist in der Türkei das Justizministerium (Art. 3 Abs. 1 lit. a int. KindesentführungsG), zuständig sind die Familiengerichte (Art. 6 Abs. 1 int. KindesentführungsG). In Deutschland sind der Bundesgeneralanwalt und das Auswärtige Amt zu kontaktieren.
Die unverheiratete türkische Mutter kann mit dem Kind ohne Genehmigung des leiblichen Kindesvaters aus der Türkei ausreisen, ohne den Tatbestand der Kindesentführung i.S.d. Art. 3 des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) zu riskieren, weil sie das alleinige Sorgerecht hat. Eine Sorgeerklärung auf der Grundlage von §§ 1626a ff. BGB ersetzt eine Gerichtsentscheidung nicht. Lebt das Kind schon für längere Zeit in der Türkei, verneinen die deutschen Gerichte die Zuständigkeit gemäß Minderjährigenschutzabkommen.