Leitsatz
Weist der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer an, eine andere Arbeitsaufgabe zu übernehmen als gewöhnlich, ist die Zustimmung des Betriebsrats nicht erforderlich, solange diese Aufgabenübertragung nicht länger als einen Monat andauert und dadurch keine erhebliche Änderung der äußeren Arbeitsumstände eintritt.
Sachverhalt
Der Arbeitgeber ist Betreiber eines Spielcasinos. Innerhalb der Tagesschichten sind jeweils ein Saalchef und als "spieltechnisches Personal" mehrere Souschefs, Tischchefs, Croupiers und Kassierer eingesetzt. Die erhaltenen Trinkgelder werden in einem "Tronc" gesammelt, der nach tarifvertraglichen Vorgaben und abhängig von der Tätigkeit der Arbeitnehmer unter diesen verteilt wird.
Freitag und Samstag abends kommen besonders viele Gäste. Der Arbeitgeber setzt daher an diesen Abenden einen Mitarbeiter des "spieltechnischen Personals", z. B. einen Croupier, als "Videosaalchef" und einen anderen als "Begrüßer" ein. Aufgabe des Videosaalchefs ist es, mögliche Streitigkeiten zwischen Gästen untereinander oder mit dem Personal durch Auswertung von Videoaufzeichnungen zu schlichten. Der Begrüßer hat die Aufgabe, neuen und ungeübten Gästen die Regeln des Spielbetriebs zu erklären. Außerdem setzt der Arbeitgeber im Vertretungsfall die verschiedenen Mitarbeiter zur Vertretung eines hierarchisch höher oder niedriger stehenden anderen Mitarbeiters ein.
Der Betriebsrat war der Auffassung, dass diese Zuweisungen anderer Arbeitsaufgaben Versetzungen seien und er deshalb ein betriebsverfassungsrechtliches Mitbestimmungsrecht habe. Insbesondere verändere sich die Verteilung aus dem Tronc. Da der Arbeitgeber den Betriebsrat in der Vergangenheit nicht beteiligt hatte, verlangte dieser die Unterlassung künftiger Versetzungen. Der Arbeitgeber war der Ansicht, dass keine mitbestimmungspflichtigen Versetzungen vorlägen.
Das BAG gab dem Arbeitgeber Recht. Der Arbeitgeber hat nach § 99 Abs. 1 BetrVG zu bestimmten personellen Einzelmaßnahmen, wie z. B. einer Versetzung, die vorherige Zustimmung des Betriebsrats einzuholen. Eine Versetzung liegt nach § 95 Abs. 3 BetrVG vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsbereich zuweistund dies entweder voraussichtlich länger als einen Monat andauert oder mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist.
Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs liegt vor, wenn der Gegenstand der geschuldeten Arbeitsleistung, der Inhalt der Arbeitsaufgabe, ein anderer wird. Worin die geschuldete Arbeitsleistung besteht, hängt nicht von evtl. Tätigkeitsbeschreibungen im Arbeitsvertrag ab. Entscheidend ist vielmehr, welche tatsächlichen Aufgaben der Mitarbeiter in der Vergangenheit hatte und welche ihm nun zugewiesen werden. Änderungen, die sich im normalen Schwankungsbereich halten, werden nicht erfasst. Das BAG hat offen gelassen, ob dadurch, dass Mitarbeiter des spieltechnischen Personals eines Casinos als "Videosaalchef" oder "Begrüßer" eingesetzt wurden und im Vertretungsfall andere hierarchisch ranghöhere oder rangniedrigere Positionen ausgefüllt haben, ein anderer Arbeitsbereich zugewiesen wurde.
Denn eine Versetzung war in jedem Fall zu verneinen, weil die zusätzlichen Voraussetzungen des § 95 Abs. 3 BetrVG nicht erfüllt waren: Weder die voraussichtliche Dauer von einem Monat war überschritten noch lag eine erhebliche Änderung der Umstände vor, unter denen die Arbeit zu verrichten ist. Die Änderung muss sich auf die äußeren Arbeitsumstände beziehen und erheblich sein. Die Aufgaben der Videosaalchefs und des "Begrüßers" sind in denselben Räumlichkeiten, zur selben Zeit, unter Anwesenheit derselben Arbeitskollegen und Besucher und damit insgesamt unter Beibehaltung derselben äußeren Arbeitsumstände zu verrichten wie die "regulären" Aufgaben. Hieran änderte auch nichts, dass durch die geänderten Tätigkeiten manche Arbeitnehmer eine höhere Ausschüttung aus dem Tronc erhielten.
Link zur Entscheidung
BAG, Beschluss v. 13.3.2007, 1 ABR 22/06.