Leitsatz
Die Eltern eines minderjährigen Kindes stritten sich um die elterliche Sorge für ihre gemeinsame minderjährige Tochter sowie das Umgangsrecht des Vaters mit ihr. Auslöser des Streits war der Vorwurf gegenüber dem Kindesvater, er habe die Tochter sexuell missbraucht. Seit dieser Zeit war zwischen den Kindeseltern eine vernünftige Kommunikation nicht mehr möglich. Ihr Verhältnis zueinander war von gegenseitigen Vorwürfen geprägt. Insbesondere hatten die dauerhaften Auseinandersetzungen zwischen den Eltern bereits zu einer deutlichen Entfremdung der Tochter vom Kindesvater geführt. Diese hatte bereits vor Oktober 2004 begonnen, sich danach jedoch erheblich verstärkt. Folge war, dass die Mutter aufgrund der aufgekommenen Vorwürfe die Tochter dem Umgang mit dem Vater zunächst völlig entzogen hatte.
Das erstinstanzliche Gericht hatte dem Antrag der Kindesmutter auf Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf sie nicht stattgegeben. Hiergegen legte sie Beschwerde ein, die erfolgreich war.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG kam zu dem Ergebnis, dass die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf die Mutter dem Wohl des Kindes am besten entspreche. Eine solche Regelung sei geboten, da die Kindeseltern heillos zerstritten seien und eine Kommunikation auch über wesentliche Kindesbelange nicht mehr möglich erscheine. Die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge setze eine Kommunikationsfähigkeit der Eltern in denen das Kind betreffenden Grundfragen voraus. Sie müssten objektiv und subjektiv Kooperationsbereitschaft zeigen. Dies schließe Meinungsverschiedenheiten nicht aus. Es könne allerdings dem Kind nicht zugemutet werden, ständig emotionsgeladene Streitigkeiten zwischen den Elternteilen miterleben zu müssen. Der Umstand, dass die Eltern ihre Auseinandersetzungen nicht zivilisiert austragen könnten, müssten zu einem Alleinsorgerecht führen (vgl. Oelkers, Die Entwicklung des Sorgerechts bis Ende 2001, Teil 2, FuR 2002, S. 168, 170; II 2.a) bb), m.w.N.).
Die Aufhebung der gemeinsamen Sorge zum Wohle des Kindes sei dann geboten, wenn die Eltern nach der Trennung nur noch über ihre Rechtsanwälte verkehren und ständig Streitereien über die Ausübung des Umgangsrechts entstehen.
So liege der Sachverhalt hier. Die Parteien stritten mindestens seit Oktober 2004 sehr heftig über die Ausübung des Umgangsrechts durch den Vater, nachdem die Mutter ihm gegenüber den Vorwurf erhoben hatte, die Tochter sexuell missbraucht zu haben. Jedenfalls seit dieser Zeit sei eine vernünftige Kommunikation nicht mehr möglich. Dabei spiele auch eine Rolle, dass die Mutter weiter an dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs festhalte, obwohl das erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten einer Diplom-Psychologin zu dem Ergebnis gekommen sei, dass auf der Basis einer entwicklungsbedingten eingeschränkten Aussagetüchtigkeit des Kindes die Schlussfolgerung eines sexuellen Übergriffs des Vaters aus psychologischer Sicht nicht zu bestätigen sei. Unabhängig davon wirke aber bei der Mutter der weiterhin bestehende Verdacht fort. Von daher sei nach Überzeugung des Gerichts das Vertrauensverhältnis zwischen den Kindeseltern derart gestört, dass an einer Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge nicht festgehalten werden könne.
Die Entscheidung, wem die alleinige elterliche Sorge zu übertragen sei, sei allein am Kindeswohl zu orientieren. Entscheidungshilfen hierfür seien neben der Erziehungsbereitschaft und den häuslichen Verhältnis der Kontinuitätsgrundsatz, der Förderungsgrundsatz, die Beziehung zu Eltern und Geschwistern und der Wunsch des betroffenen Kindes. Insoweit sei eine Gesamtschau anzustellen. Unter Beachtung dieser Kriterien musste nach Auffassung des OLG die elterliche Sorge für die Tochter auf die Mutter übertragen werden, obgleich ihre Erziehungsfähigkeit insoweit in Frage stehe, als sie aus der Sicht eines objektiven Dritten nicht bereit und in der Lage sei, der Tochter ein unbefangenes Verhältnis zu ihrem Vater zu ermöglichen. Sie habe sich mit dem erstinstanzlich eingeholten Gutachten nicht mit der erforderlichen eigenen kritischen Distanz auseinandergesetzt. Dies sei nach Auffassung des Senats in erster Linie auf das umfassend gestörte Verhältnis der Kindeseltern zueinander zurückzuführen. Eine Vertrauensbasis sei nicht gegeben. Dies wirke sich auch auf die Tochter negativ aus, der der ständige Streit zwischen ihren Eltern nicht verborgen geblieben sei.
Die Kindesmutter werde, wenn sie nicht weitere Zweifel ihrer Erziehungskompetenz schüren wolle, in Zukunft vermeiden müssen, die Auseinandersetzungen mit dem Vater weiter in Anwesenheit der Tochter zu führen. Vielmehr werde sie alles unternehmen müssen, um das gestörte Verhältnis zwischen Vater und Tochter zu verbessern.
Trotz einer gewissen Einschränkung der Erziehungskompetenz der Mutter sah das OLG keine Alternative zur Übertragung der elterlichen Sorge auf sie. Eine Übertragung auf den Vater sei wegen des gestörten Verhä...