Leitsatz

Gegenstand des Verfahrens war die Übertragung der elterlichen Sorge für ein nichteheliches Kind bei fehlender gemeinsamer Sorgeerklärung.

 

Sachverhalt

Aus der Beziehung der nicht miteinander verheirateten Eltern war am 28.6.2006 ein Sohn hervorgegangen. Die Mutter war Thailänderin und lebte seit 1992 in Deutschland. Die Beteiligten lebten seit 2002 zusammen und trennten sich im Jahre 2008. Ursache waren insbesondere Streitigkeiten über die Erziehung des gemeinsamen Sohnes. Die Kindesmutter verließ am 16.12.2008 das gemeinsam mit ihrem damaligen Partner bewohnte Haus und erklärte ihm, sie werde dorthin nicht mehr zurückkehren.

Der Vater stellte am 22.12.2008 einen Antrag auf Übertragung der alleinigen Sorge, wobei er unzutreffend angab, die Eltern hätten eine gemeinsame Sorgeerklärung vor dem Jugendamt abgegeben. Er begründete seinen Antrag u.a. mit Streitigkeiten über den Lebensmittelpunkt des Kindes, den Kindergartenbesuch ab 2009, das Stillverhalten sowie den Nikotin- und Alkoholkonsum und den Medienkonsum der Mutter.

Das erstinstanzliche Gericht hat der Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht nach §§ 1666, 1666a BGB entzogen und dem Vater nach § 1680 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 und 2 BGB übertragen. Es hat sich dabei auf das psychologische Gutachten der Sachverständigen vom 29.7.2009 und ihrer Ergänzung im Termin am 30.9.2009 gestützt, wonach der Vater die Hauptbezugsperson für den Sohn war und es der Mutter aufgrund ihrer Haltung prognostisch nicht gelingen werde, den besonders wichtigen Kontakt zum Vater zu gewährleisten, was eine Kindesgefährdung darstelle.

Das Umgangsrecht der Mutter wurde dahin geregelt, dass der Sohn von Donnerstag Nachmittag jeder ungeraden Kalenderwoche bis zum folgenden Montag Nachmittag bei ihr sein sollte.

Seit November 2009 wohnte der Sohn beim Vater.

Gegen die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts wandte sich die Kindesmutter mit der Beschwerde. Das KG hat den PKH-Antrag der Mutter für das Beschwerdeverfahren und ihren Antrag, ihr im Wege einer einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht für den Sohn bis zur Entscheidung über die Beschwerde zu übertragen, zurückgewiesen.

 

Entscheidung

Das KG wies darauf hin, dass seine Entscheidung von der Verfassungsgemäßheit des § 1672 Abs. 1 BGB abhänge. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift könne die elterliche Sorge - auch in Teilbereichen - dem nichtehelichen Vater mangels gemeinsamer Sorgeerklärung nicht ohne Zustimmung der Mutter übertragen werden, an der es hier fehle.

Einschlägige Norm sei allein § 1672 Abs. 1 BGB, weil im vorliegenden Fall eine Entziehung und Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts von der Mutter auf den Vater nicht auf §§ 1666, 1666a, 1680 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 und 3 BGB gestützt werden könne. Die Voraussetzungen einer Entziehung der elterlichen Sorge mit Trennung von der Mutter - nämlich die Gefährdung des körperlichen, geistigen und seelischen Wohls des Kindes und der fehlende Wille oder die fehlende Möglichkeit der Mutter, die Gefahr abzuwenden oder die fehlende Möglichkeit, die Gefahr auf andere Weise abzuwenden, lägen nicht vor. Aufgrund der durchgeführten Anhörung der Beteiligten teilte das KG nicht die Auffassung des AG, dass die Mutter in Zukunft die Beziehung des Sohnes zum Vater unmöglich machen werde und damit eine Kindeswohlgefährdung zu bejahen sei, die nur durch eine Entziehung der elterlichen Sorge beseitigt werden könne.

Auch andere Gründe, der Mutter die elterliche Sorge zu entziehen, beständen nicht. Der Sohn habe zu beiden Eltern etwa gleich gute Bindungen, wobei die Sachverständige die etwas stärkere Bindung zum Vater sehe und die Erziehungseignung der Mutter ansonsten nicht bezweifle.

Das KG hielt es - entgegen der Auffassung des AG - nicht für möglich, bei der Anwendung der §§ 1666, 1666a BGB im Wege verfassungskonformer Auslegung den Maßstab des § 1671 Abs. 1 und 2 Nr. 2 BGB heranzuziehen. Das KG verwies in seiner Entscheidung auf die Entscheidung des EuGHMR vom 3.12.2009. Eine ungleiche Behandlung der Elternrechte von nicht mit der Mutter verheirateten Vätern und verheirateten Vätern sowie eine ungleiche Behandlung von Kindern, die in einer Ehe geboren seien und Kindern, die in einer Lebensgemeinschaft nicht verheirateter Eltern geboren würden, seien im Rahmen von Sorgerechtsregelungen nur gerechtfertigt, wenn dafür gewichtige Gründe vorlägen. Diese seien weder grundsätzlich noch im vorliegenden Fall ersichtlich.

Mit dem EuGHMR ging das KG davon aus, dass nicht typischerweise davon ausgegangen werden könne, dass konfliktfreie nichteheliche Lebenspartnerschaften gemeinsame Sorgeerklärungen abgäben und deshalb bei fehlender gemeinsamer Sorgeerklärung eine Entscheidung über die elterliche Sorge nach Trennung mit dem Kindeswohl typischerweise nicht vereinbar sei. Die Konflikte langjähriger Lebensgemeinschaften unterschieden sich bezogen auf die Kinder im Trennungsfall in der familiengerichtlichen Realität regelmäßig nicht von den Konflikten von Eheleuten.

 

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