Leitsatz
Der BGH hat sich in dieser Entscheidung mit der Fristenprüfungspflicht des Anwalts auseinandergesetzt und seine bisherige Rechtsprechung fortgesetzt.
Sachverhalt
Die Beteiligten stritten um Kindesunterhalt. Der dem Antrag des Antragstellers teilweise stattgebende Beschluss des AG wurde den Antragsgegnerinnen am 23.2.2011 zugestellt. Am 21.3.2011 haben sie hiergegen beim AG Beschwerde eingelegt. Mit Schriftsatz vom 16.5.2011, an demselben Tag beim Beschwerdegericht eingegangen, haben sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist beantragt und die Beschwerde begründet.
Die Wiedereinsetzung wurde darauf gestützt, dass ein Versehen der Büroangestellten vorliege. Diese habe lediglich die Vorfrist für die Begründung des Rechtsmittels, nicht aber die eigentliche Frist in der Handakte notiert. Ebenso fehle ein Eintrag im Fristenkalender. Ferner sei die Akte ohne den üblichen Vermerk "Fristsache" nach Ablauf der Vorfrist vorgelegt worden. Eine Erinnerung an den Fristablauf sei ebenfalls trotz entsprechender allgemeiner Anordnung nicht erfolgt. Die Fristversäumnis sei erst durch den Hinweis des Beschwerdegerichts aufgefallen.
Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen und die begehrte Wiedereinsetzung versagt. Hiergegen richtete sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerinnen.
Entscheidung
Der BGH hat ebenso wie das OLG die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen. Das Beschwerdegericht habe zutreffend unter Berücksichtigung der maßgeblichen Rechtsprechung des BGH entschieden. Die Frist sei nicht ohne Verschulden der Verfahrensbevollmächtigten versäumt worden. Das Versehen der Kanzleiangestellten, nur die Vorfrist und nicht den Ablauf der Begründungsfrist in den Fristenkalender einzutragen sowie die Akte ohne Hinweis auf die Fristsache vorzulegen, sei nicht allein ursächlich für die Fristversäumnis geworden.
Vielmehr habe die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerinnen schon bei Anfertigung der Beschwerdeschrift ihre Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung von Rechtsmittelbegründungspflichten verletzt. Der BGH verwies insoweit auf die in ständiger Rechtsprechung festgelegten Anforderungen an die anwaltlichen Prüfungspflichten. Zwar sei der Rechtsanwalt danach nicht verpflichtet, die Akte in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Vorlage darauf zu überprüfen, ob eine Frist eingetragen gewesen sei und deren Ablauf bevorgestanden habe. Die an die Sorgfalt des Anwalts zu stellenden Anforderungen würden überspannt, wenn man von ihm verlangen würde, den Fristablauf oder die Erledigung von Fristnotierungen stets auch dann selbst zu prüfen, wenn ihm die Sache - wie hier - ohne Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt werde oder ohne dass Anhaltspunkte dafür beständen, die zur Fristwahrung getroffenen Maßnahmen könnten versagt haben (BGH v. 12.12.2007 - XII ZB 69/07, FamRZ 2008, 503 Rz. 12; v. 25.11.1998 - XII ZB 204/96, FamRZ 1999, 649, 650 f.; BGH Beschl. v. 5.2.2003 - VIII ZB 115/02, NJW 2003, 1815).
Folge die Vorlage jedoch in Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozess-/Verfahrenshandlung, insbesondere zu deren Bearbeitung, werde nach der Rechtsprechung verlangt, dass der Rechtsanwalt die Akte auf weitere unerledigte Fristen überprüfe und deren richtige Notierung in den Handakten feststelle (BGH v. 11.2.2004 - XII ZB 263/03, FamRZ 2004, 696 v. 1.12.2004 - XII ZB 164/03, FamRZ 2005, 435, 436 jeweils m.w. N.).
Ein solcher Fall liege hier vor. Hätte die Verfahrensbevollmächtigte bei Ausfertigung der Beschwerdeschrift die Überprüfung der weiteren Frist, also der Begründungsfrist, vorgenommen, hätte sie das Fehlen des korrekten Fristeintrages zur Beschwerdebegründung in den Handakten ohne weiteres festgestellt und die Beschwerdebegründungsfrist einhalten können.
Hinweis
Mit dieser Entscheidung setzt der BGH seine bisherige Rechtsprechung zur anwaltlichen Verpflichtung in der eigenverantwortlichen Fristenprüfung im Zusammenhang mit der Bearbeitung einer fristgebundenen Maßnahme fort.
Für die anwaltliche Praxis hat dies zur Folge, dass der Rechtsanwalt bei jeder Rechtsmitteleinlegung zugleich die Fristeneintragung zur Begründungsfrist auf deren Richtigkeit und Vollständigkeit überprüfen und ggf. die erforderlichen Korrekturen in den Handakten vornehmen muss.
Link zur Entscheidung
BGH, Beschluss vom 02.11.2011, XII ZB 317/11