Dr. Klaus-Peter Horndasch
Die neueren Entscheidungen des BGH und der Obergerichte haben verdeutlicht, dass ausschließlicher Gradmesser allen Handelns im Bereich des Kindschaftsrechts das Kindeswohl sein muss.
In der Fachliteratur ist man sich daher nahezu einig darüber, dass dies Konsequenzen für das gesamte bestehende gesetzliche System das Kindschaftsrechts haben muss.
Der Gesetzgebungsausschuss Familienrecht im Deutschen Anwaltsverein hat deshalb die nachfolgenden Vorschläge unterbreitet, die derzeit unter Familienrechtlern diskutiert werden.
5.1 Notwendige Veränderungen im Kindschaftsrecht
Notwendigkeiten werden wie folgt gesehen:
Einigkeit besteht darin, dass das Kindeswohl im Rahmen des Kindschaftsrechts ausschließlicher Gradmesser aller Entscheidungen zu sein hat. Das Kindeswohlprinzip, derzeit geregelt in § 1697a BGB, hat deshalb am Anfang des Abschnittes II Titel 5 – elterliche Sorge zu stehen.
Im Rahmen der elterlichen Sorge, eigentlich besser benannt als "elterliche Verantwortung", ist das Kindschaftsrecht geprägt von der Unterscheidung zwischen dem Aufenthaltsbestimmungsrecht als Teil der elterlichen Sorge und dem davon zu unterscheidenden Umgang, sowohl dem Umgang der Eltern als auch dem Umgang Dritter mit dem Kind.
Die Unterscheidung von elterlicher Sorge und Umgang (von Eltern und Dritten als deren eigenständiges Recht) ist aber nicht geeignet, die Betreuung des Kindes durch die Eltern und den Kontakt des Kindes zu Dritten gleichermaßen zu umfassen. Die Betreuung erfasst die Verantwortung für das Kind im Rahmen der elterlichen Sorge, zu unterscheiden vom Kontakt des Kindes zu Dritten.
In Konsequenz ist der Begriff des Aufenthaltsbestimmungsrechts zu ersetzen durch den Begriff der Betreuung durch die Eltern als Teil der elterlichen Sorge und zu unterscheiden vom Kontakt des Kindes zu Dritten.
Darüber hinaus entspricht die – zumindest zunächst – fehlende gemeinsame Verantwortung beider leiblicher Elternteile in den Fällen nicht miteinander verheirateten Eltern nicht dem Erfordernis, das Kindeswohl durch die Verpflichtung der Eltern zur Betreuung des Kindes zu gewährleisten.
Dies bedeutet:
- Das Recht der elterlichen Sorge sollte originär beiden leiblichen Eltern zustehen, unabhängig von der Frage der Eheschließung.
- Entscheidungen oder Vereinbarungen zur elterlicher Sorge haben das Kindeswohlprinzip des § 1697a BGB zu beachten.
- Die Betreuung des Kindes durch die Eltern ist Teil der elterlichen Sorge. Davon zu trennen ist der Kontakt des Kindes zu Dritten.
Damit sind wesentliche gesetzliche Vorschriften änderungsbedürftig.
§ 1626 BGB – Elterliche Sorge, Grundsätze ist neu zu fassen wie folgt:
(1) Träger der elterlichen Sorge sind die Eltern des Kindes.
(2) Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbstständigem verantwortungsbewusstem Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an.
(3) Zum Wohl des Kindes gehört die Betreuung durch beide Elternteile. Das Maß der Betreuung richtet sich nach dem Kindeswohl.
(4) Das Kind hat ein Recht auf Kontakt mit anderen Personen, zu denen es eine Bindung besitzt, soweit ihre Aufrechterhaltung dem Kindeswohl dient.
§ 1697a BGB – Kindeswohlprinzip istmit neuer Nr. an den Anfang des Abschnittes zum Kindschaftsrecht zu setzen.
§ 1684 BGB ist als "Betreuung des Kindes durch die Eltern",
§ 1685 BGB als "Kontakt des Kindes mit anderen Bezugspersonen"
zu formulieren.
§§ 1626a – 1626e BGB fallen konsequent weg.
5.2 Die Betreuung von, der Umgang mit Kindern getrennt lebender Eltern
5.2.1 Das gesetzliche Modell der Betreuung von Kindern
Es gibt kein vom Gesetz vorgeschriebenes Modell des Zusammenlebens zwischen voneinander getrenntlebenden Eltern und ihren Kindern. Zu Recht ist Eltern und Kindern freigestellt, wie der Umfang und die Ausgestaltung des Zusammenlebens zwischen ihnen organisiert wird.
Dies war nicht immer so. Dem nach früherem Recht alleinschuldig geschiedenen Ehepartner stand keinerlei Bestimmungsrecht zur Betreuung des Kindes zu. Waren beide Ehegatten "für schuldig erklärt", § 1635 BGB a. F., so bestimmte für Söhne unter 6 Jahren und für Töchter die Kindesmutter, für ältere Söhne der Kindesvater das Zusammenleben. Grundsätzlich stand dem Kindesvater die alleinige elterliche Sorge zu, § 1627 BGB a. F.. Der andere Elternteil behielt die "Befugnis, mit dem Kinde persönlich zu verkehren", § 1636 BGB a. F., als "Ausfluss des Verwandtschaftsverhältnisses".
§§ 1634 – 1638 BGB sind zwischenzeitlich aufgehoben.
Sind Eltern nunmehr über die Betreuung ihres Kindes uneinig, hat das Familiengericht hierüber unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des Kindeswohls zu entscheiden.
Gesetzlich verankert ist jedoch kein Modell der Betreuung.
In der Rechtsprechung haben sich aber bei unterschiedlicher Auffassung der Eltern für eine Entscheidung über den Umfang der Betreuung durch beide Elternteile zwei Modelle herausgebildet, zwischen denen entschieden wird. In der Regel wird das sog. Residenzmodell beschlossen, das einem Elternteil die ganz überwiegende Betreuung des Kindes zuweist und dem anderen Elternteil das Rech...