Leitsatz
Mangels einer besonderen Übergangsregelung in Art. 229§ 3 EGBGB ist die Regelung des § 556a BGB, wonach der Vermieter abweichend von der getroffenen mietvertraglichen Regelung befugt ist, einseitig die Mietstruktur zu ändern, wenn die Betriebskosten ganz oder teilweise nach dem Verbrauch oder der Verursachung durch den Mieter erfasst werden, auch auf die vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes am 1. September 2001 bestehenden Mietverhältnisse uneingeschränkt anwendbar.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB § 556a Abs. 2
Kommentar
Die Parteien schlossen im Mai 1979 einen Mietvertrag über eine 4-Zimmer-Wohnung zu einer Inklusivmiete von 426,74 DM. Im Jahr 2007 ließ der Vermieter in den Wohnungen Zwischenwasserzähler installieren. Er teilte den Mietern mit, dass die Kosten der Wasserversorgung künftig nach Verbrauch erfasst und abgerechnet werden. Für diese Kosten verlangte der Vermieter ab Januar 2007 einen monatlichen Vorauszahlungsbetrag von 43,61 EUR, wobei er die Gesamtmiete um diesen Betrag reduzierte. Der Mieter war mit dieser Änderung der Mietstruktur nicht einverstanden.
Ist im Mietvertrag vereinbart, dass mit der Miete alle Betriebskosten abgegolten sein sollen (sog. Inklusiv- oder Pauschalmiete), sind beide Parteien hieran gebunden. Jedoch kann der Vermieter gem. § 556a Abs. 2 BGB durch einseitige Erklärung in Textform bestimmen, dass die Betriebskosten zukünftig abweichend von der getroffenen Vereinbarung ganz oder teilweise nach einem Maßstab umgelegt werden dürfen, der dem erfassten unterschiedlichen Verbrauch oder der erfassten unterschiedlichen Verursachung Rechnung trägt. Diese Regelung umfasst nach allgemeiner Ansicht auch den Fall, dass der Vermieter die Kosten der Wasserversorgung künftig verbrauchsabhängig erfassen und abrechnen will. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Kosten bislang nach einem verbrauchsunabhängigen Maßstab (z.B. nach dem Verhältnis der Wohnflächen oder nach Kopfteilen) auf die Mieter umgelegt wurden oder ob sie in der Miete enthalten waren.
Allerdings wurde die Regelung des § 556a Abs. 2 BGB erst durch das am 1.9.2001 in Kraft getretene Mietrechtsreformgesetz in das BGB eingefügt. Für die Zeit vom 1.9.1993 bis zum 31.8.2001 ergab sich das Recht des Vermieters zur Änderung der Mietstruktur zum Zweck der verbrauchsabhängigen Abrechnung aus § 4 Abs. 5 Nr. 1 MHG. Für die Zeit vor dem 1.9.1993 wurde dem Vermieter nur dann ein aus § 242 BGB abgeleiteter Anspruch auf eine gesonderte oder geänderte Umlage von Betriebskosten zugebilligt, wenn die getroffene Vereinbarung evident unbillig war (Blank/Börstinghaus, Miete, 1. Aufl. 2000, § 546 Rdn. 60). Ein den §§ 4 Abs. 5 Nr. 1 MHG, 556a Abs. 2 BGB entsprechendes Recht existierte nicht.
Dies führt zu der Frage, ob das Recht zur Änderung der Mietstruktur auch für diejenigen Verträge gilt, die bereits vor dem 1.9.1993 abgeschlossen wurden. Die Instanzgerichte haben die Ansicht vertreten, dass jedenfalls für diese Verträge Bestandsschutz gilt. Der BGH teilt diese Ansicht nicht: Die Übergangsvorschriften zur Mietrechtsreform enthalten in Art. 229§ 3 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB keine Regelung betreffend die Altverträge. Deshalb gilt der Grundsatz, dass die Regelung des § 556a Abs. 2 BGB auf alle Wohnungsmietverträge anzuwenden ist, unabhängig davon, zu welchem Zeitpunkt sie begründet wurden.
Umlage auch der Entwässerungskosten nach Verbrauch und einheitlichem Maßstab
Die Entscheidung des BGH betrifft nur die Erfassung und Abrechnung der Kosten der Wasserversorgung.
Fraglich kann sein, ob die Möglichkeit (und Pflicht) zur verbrauchsabhängigen Umlage auch für die Kosten der Entwässerung gilt, wenn die Kosten der Wasserversorgung verbrauchsabhängig umgelegt werden. Beim preisgebundenen Wohnraum folgt dies aus § 21 Abs. 3 NMV. Für den freifinanzierten Wohnraum kann nach der hier vertretenen Ansicht nichts anderes gelten. Eine Differenzierung zwischen den Abwasserkosten und den Kosten der Grundstücksentwässerung ist nicht angezeigt.
Sind die Zwischenwasserzähler nur in einem Teil der Wohnungen installiert, so wird vereinzelt die Ansicht vertreten, dass die Wasserkosten in einem solchen Fall teils nach Verbrauch, teils nach einem verbrauchsunabhängigen Maßstab zu verteilen sind (AG Berlin-Köpenick, GE 2006 S. 785). Nach der Rechtsprechung des BGH muss der Vermieter dagegen einen einheitlichen – für alle Mieter gleichen – Umlagemaßstab verwenden; dies hat zur Folge, dass eine Umlage der Wasserkosten nach § 556a Abs. 2 BGB nur in Betracht kommt, wenn sich in allen Wohnungen Zwischenwasserzähler befinden (BGH, Urteil v. 12.3.2008, VIII ZR 188/07, NJW 2008 S. 1876).
Link zur Entscheidung
BGH, Versäumnisurteil v. 21.9.2011, VIII ZR 97/11, NJW 2012 S. 226