Leitsatz

Auf eine Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts wegen Eigenbedarfs eines Gesellschafters findet die Kündigungsbeschränkung des § 577a BGB keine Anwendung, wenn nach der Kündigung Wohnungseigentum der Gesellschafter begründet wird. Das gilt auch dann, wenn die Gesellschaft das Wohnanwesen zu dem Zweck erworben hat, die vorhandenen Wohnungen in Wohnungseigentum der Gesellschafter umzuwandeln.

(amtlicher Leitsatz des BGH)

 

Normenkette

BGB § 577a

 

Kommentar

Acht Personen hatten sich (auf Veranlassung eines Bauträgers) zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zusammengeschlossen. Zweck der Gesellschaft war der Erwerb und die Sanierung eines Achtfamilienhauses, die Kündigung der bestehenden Mietverträge sowie die anschließende Begründung von Wohnungseigentum.

Entsprechend diesem Zweck erwarb die Gesellschaft das Anwesen; die Gesellschafter wurden im Februar 2006 mit dem Zusatz "als Gesellschafter bürgerlichen Rechts" ins Grundbuch eingetragen. Im März 2006 kündigte die GbR eines der Mietverhältnisse wegen Eigenbedarfs für den Gesellschafter K. Nach Zugang der Kündigung wurde das Anwesen in Wohnungseigentum aufgeteilt und der Gesellschafter K als Sondereigentümer der gekündigten Wohnung ins Grundbuch eingetragen. Der BGH hatte darüber zu entscheiden, ob die Kündigung an § 577a BGB scheitert.

Dies wird vom BGH verneint:

1. Mit dem Erwerb des Eigentums ist die GbR gem. § 566 BGB in die jeweiligen Mietverhältnisse eingetreten. Dies führt zu der Frage, ob eine Gesellschaft ein Wohnraummietverhältnis wegen Eigenbedarfs für einen ihrer Gesellschafter kündigen kann. In der Literatur werden hierzu folgende Ansichten vertreten:

(1) Eine Eigenbedarfskündigung ist ausgeschlossen, weil der Kündigungstatbestand voraussetzt, dass die Wohnung vom "Vermieter" benötigt wird. "Vermieter" in diesem Sinne ist derjenige, dem die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag zustehen. Ist eine Wohnung durch eine GbR vermietet, stehen die Rechte und Pflichten nicht den Gesellschaftern, sondern der rechtlich selbstständigen Gesellschaft zu (Blank in: Schmidt-Futterer, § 573 BGB Rdn. 46).

(2) Eine Eigenbedarfskündigung ist nur dann möglich, wenn alle Gesellschafter Eigenbedarf haben. In diesem Fall sei es möglich, die Gesellschafter wie eine Vermietermehrheit zu behandeln (Harke, ZMR 2002, 405, 407).

(3) Eine GbR ist wie eine Vermietermehrheit zu behandeln, wenn der Gesellschafterbestand überschaubar und dem Mieter namentlich bekannt ist (Häublein in: MüKomm, § 573 BGB Rdn. 67).

(4) Eine GbR ist generell wie eine Vermietermehrheit zu behandeln. Auf die Zahl der Gesellschafter kommt es nicht an. Es spielt auch keine Rolle, ob der Mieter die Gesellschafter kennt (Palandt/Weidenkaff, § 573 BGB Rdn. 26). Dieser Ansicht hat sich der BGH in dem Urteil vom 27.6.2007 (VIII ZR 271/06, NJW 2007, 2845) angeschlossen. Zur Begründung hat der BGH im Wesentlichen ausgeführt, es sei nicht gerechtfertigt, "Gesellschafter einer bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft (in Bezug auf das Kündigungsrecht) schlechter zu stellen als Mitglieder einer einfachen Vermietermehrheit". Daraus folgt, dass die Vermietung durch eine GbR ebenso zu behandeln ist wie eine Vermietung durch mehrere natürliche Personen. An dieser Rechtsprechung hält der BGH fest.

2. Dies führt zu der weiteren Frage, ob auf eine Eigenbedarfskündigung die Regelung des § 577a BGB anwendbar ist. Danach ist der Erwerber mit der Eigenbedarfskündigung für die Dauer von drei Jahren (in manchen Gemeinden auch länger, § 577a Abs. 2 BGB) ausgeschlossen. Nach dem Wortlaut des § 577a Abs. 1 BGB gilt die Kündigungssperre nur dann, wenn "Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden" ist. Hier ist die Kündigung vor der Begründung von Wohnungseigentum erfolgt. Eine unmittelbare Anwendung des § 577a BGB scheidet damit aus.

3. Eine analoge Anwendung der Vorschrift lehnt der BGH ab, weil es nach seiner Ansicht an einer planwidrigen Gesetzeslücke fehlt und die vorliegende Gestaltung "vom Schutzzweck des § 577a BGB nicht erfasst wird". Mit der Übertragung der Eigentümer- und Vermieterstellung von der Gesellschaft auf einen der Gesellschafter werde kein neuer, bis zu diesem Zeitpunkt nicht vorhandener Eigenbedarf geschaffen. Hierin unterscheide sich die vorliegende Gestaltung von den typischen von § 577a BGB erfassten Umwandlungsfällen.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 16.07.2009, VIII ZR 231/08, NJW 2009, 2738 m. Anm. Reinelt, jurisPR-BGHZivilR 18/2009 Anm. 2

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