Leitsatz
- Wird eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die Eigentümerin eines Mehrfamilienhauses und Vermieterin der Wohnungen dieses Anwesens ist, unter Bildung von Wohnungseigentum und Eintragung der einzelnen Gesellschafter als Eigentümer der jeweils zugewiesenen Wohnungen auseinandergesetzt, tritt der neue Eigentümer in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein.
- Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann sich auf einen in der Person eines Gesellschafters bestehenden Eigenbedarf auch dann berufen, wenn dieser der Gesellschaft bei Abschluss des Mietvertrags oder bei Eintritt der Gesellschaft in einen bestehenden Mietvertrag noch nicht angehörte (Aufgabe Senatsurteil v. 27.6.2007, VIII ZR 271/06, NJW 2007 S. 2845, Rn. 17).
(amtliche Leitsätze des BGH)
Normenkette
BGB §§ 566, 573, 577a
Kommentar
Der Mieter schloss im Jahr 1981 einen Mietvertrag über eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus. Der damalige Eigentümer veräußerte das Gebäude im Jahr 2000 an eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (im Folgenden: GbR). Im Jahr 2004 trat Frau A dieser Gesellschaft bei. Im Anschluss hieran wurde das Anwesen gem. § 3 WEG in Wohnungseigentum aufgeteilt und Frau A als Sondereigentümerin der vermieteten Wohnung im Grundbuch eingetragen. Der BGH hatte zu entscheiden, ob Frau A das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs kündigen kann.
1 Vermietereigenschaft
Dies hängt zunächst davon ab, ob Frau A Vermieterin der fraglichen Wohnung ist. Das Mietverhältnis bestand zunächst zwischen dem Mieter und dem damaligen Eigentümer. Durch die Veräußerung im Jahr 2000 ist die GbR (als Gesellschaft) in das Mietverhältnis eingetreten.
Über einen vergleichbaren Sachverhalt hatte der BGH durch Rechtsentscheid vom 6.7.1994 (VIII ARZ 2/94, NJW 1994 S. 2542) zu befinden. In dieser Entscheidung ist ausgeführt, dass im Fall des § 3 WEG zwar eine Rechtsänderung auf der Vermieterseite eintrete. Dies geschehe aber nicht "durch Eintritt des Sondereigentümers in die Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis über die betreffende Wohnung, sondern in der Weise, dass er als alleiniger Vermieter übrig bleibt". Auf diese Rechtsfolge sei § 571 BGB a.F. (= § 566 BGB n.F.) weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden. In der nunmehr vorliegenden Entscheidung weist der BGH darauf hin, dass diese Entscheidung nur diejenigen Fälle betreffe, in denen der spätere Alleineigentümer schon bisher Mitvermieter gewesen sei.
Hier sei das anders, weil das Eigentum nicht den Gesellschaftern, sondern der Gesellschaft zugestanden habe. In einem solchen Fall führt die "Auseinandersetzung der Gesellschaft ... unter Bildung von Wohnungseigentum und Eintragung der bisherigen Gesellschafter als Eigentümer der jeweils zugewiesenen Wohnung ... zu einem Wechsel der Rechtsträgerschaft von der Gesellschaft auf die einzelnen Wohnungseigentümer." Hierauf ist § 566 BGB anzuwenden mit der weiteren Folge, dass Frau A Alleineigentümerin und Vermieterin der Wohnung geworden ist (Leitsatz 1).
2 Kündigungssperrfrist
Dies führt zu der weiteren Frage, ob bei der Eigenbedarfskündigung die Sperrfrist des § 577a BGB zu beachten ist. Die Vorschrift setzt voraus, dass die Wohnung nach der Umwandlung in Wohnungseigentum veräußert wird. Bewertet man – entsprechend der Auffassung des BGH – die Auseinandersetzung der Gesellschaft und die Eintragung der bisherigen Gesellschafter als Sondereigentümer der jeweiligen Wohnungen als Veräußerung i.S.d. § 566 BGB, dann führt dies in der Konsequenz zur Anwendung des § 577a BGB.
Der BGH sieht dies anders. Er ist der Auffassung, dass die Kündigungssperrfrist nur in solchen Fällen gilt, in denen durch die Veräußerung eine zuvor nicht bestehende Eigenbedarfssituation entsteht. Dies sei in Fällen der vorliegenden Art nicht der Fall. Der BGH stützt sich dabei auf seine bisherige Rechtsprechung zu § 573 BGB. Danach ist eine GbR generell wie eine Vermietermehrheit zu behandeln (BGH, Urteil v . 27.6.2007, VIII ZR 271/06, NJW 2007 S. 2845; Urteil v. 16.7.2009, VIII ZR 231/08, NJW 2009 S. 2738). Zur Begründung hat der BGH im Wesentlichen ausgeführt, es sei nicht gerechtfertigt, "Gesellschafter einer bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft (in Bezug auf das Kündigungsrecht) schlechter zu stellen als Mitglieder einer einfachen Vermietermehrheit". An dieser Rechtsprechung will der BGH festhalten.
3 Gesellschaftereigenschaft
In dem Urteil vom 27.6.2007 hat der BGH die Ansicht vertreten, dass die Gesellschaft nur dann wegen des Eigenbedarfs eines Gesellschafters kündigen kann, sofern dieser bereits bei Abschluss des Mietvertrags Gesellschafter war.
Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Dazu führt der BGH aus, dass er an der im Urteil vom 27.6.2007 postulierten Einschränkung nicht festhalte (Leitsatz 2).
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil v. 23.11.2011, VIII ZR 74/11, WuM 2012 S. 31