Leitsatz

Die Wohnungseigentümer können der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Ansprüche auf Beseitigung baulicher Veränderungen zuweisen. Eine geborene Ausübungsbefugnis besteht nicht. In Ausnahmefällen kann ein Wohnungseigentümer das Vorgehen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verlangen.

 

Normenkette

§§ 10 Abs. 6 Satz 3, 21 Abs. 4 WEG; § 1004 BGB

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer B stellt auf einer Dachterrasse, an der er ein Sondernutzungsrecht hat, eine Sauna auf. Ein Teil der Sauna ist über die Terrassenumrandung hinweg zu sehen.
  2. Wohnungseigentümer K stellt auf der Versammlung den Antrag, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen B vorgehen und Beseitigung verlangen soll. Dieser Antrag findet keine Mehrheit. Gegen diesen "Negativbeschluss" geht K vor. Außerdem stellt er einen Verpflichtungsantrag. Die anderen Wohnungseigentümer sollen zustimmen, dass der Beseitigungsanspruch durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geltend gemacht und der Verwalter ermächtigt und beauftragt wird, den Beseitigungsanspruch im Namen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen B gerichtlich durchzusetzen.
  3. Das AG Köln erklärt den Negativbeschluss zwar für ungültig, den Verpflichtungsantrag weist es aber ab. Mit seiner Berufung verfolgt K den Verpflichtungsantrag weiter. Die beklagten Wohnungseigentümer legen Anschlussberufung ein. Sie meinen, der Negativbeschluss entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung und die Klage sei daher insgesamt abzuweisen.
 

Die Entscheidung

  1. K's Berufung hat keinen Erfolg. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer könne den Individualanspruch zwar "an sich ziehen" und damit dem einzelnen Wohnungseigentümer das Recht zur Ausübung entziehen, wenn die Wohnungseigentümer die Ausübung durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer für richtig erachteten (Hinweis unter anderem auf Elzer, in Riecke/Schmid, WEG, 3. Aufl. 2010, § 10 Rn. 426). Für eine Vergemeinschaftung stehe den Wohnungseigentümern aber ein Ermessen zu (Hinweis auf OLG Frankfurt a.M. v. 3.11.2003, 20 W 506/01, ZMR 2004 S. 290 und Dötsch, in Timme, WEG, 2010, § 10 Rn. 489). Ein einzelner Wohnungseigentümer könne ein Vorgehen durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer über § 21 Abs. 4 WEG nur in engen Ausnahmefällen verlangen, da ihm auch ohne Vergemeinschaftung ein eigenes Vorgehen möglich sei. Daher fehle ihm regelmäßig bereits das Rechtsschutzinteresse für die Geltendmachung des Anspruchs (Hinweis auf Dötsch, in Timme, WEG, 2010, § 10 Rn. 489).
  2. Ein Fall der "Ermessensreduzierung auf Null" liege nicht vor. Soweit K darlege, die Beseitigung der Sauna stelle eine Maßnahme der ordnungsmäßigen Instandsetzung und Instandhaltung dar, wenn die Substanz des gemeinschaftlichen Eigentums betroffen sei, was hier gegeben sei, sei dem nicht zu folgen. K begehre keine Beseitigung von möglichen Schäden an dem im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Dachaufbau.

Die Anschlussberufung habe danach Erfolg! Es habe ordnungsmäßiger Verwaltung entsprochen, den Antrag auf Vergemeinschaftung abzulehnen.

 

Kommentar

Anmerkung
  1. Der Anspruch auf Unterlassung einer Störung des gemeinschaftlichen Eigentums steht jedem Wohnungseigentümer individuell zu. Will ein Einzelner nicht allein vorgehen, können aber sowohl außergerichtliche Maßnahmen als auch die Erhebung einer Klage durch Vergemeinschaftung der Abwehransprüche – soweit das gemeinschaftliche Eigentum betroffen ist – zu einer Aufgabe des Verbandes Wohnungseigentümergemeinschaft gemacht werden. Ein Anspruch hierauf besteht aber nur, wenn nur ein "gemeinsames Vorgehen" (= ein Vorgehen durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer) ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Dies ist, wie der Fall exemplarisch zeigt, fast nie der Fall!
  2. Eine Dachterrasse kann sowohl im Sondereigentum stehen – da sie als "Raum" angesehen wird – als auch im gemeinschaftlichen Eigentum. Steht sie im gemeinschaftlichen Eigentum, ist an den entsprechenden Flächen in der Regel ein Sondernutzungsrecht eingeräumt worden. Die Unterscheidung – die man im Einzelfall klären muss – ist für die Verwaltung und die Kosten wichtig. Vor allem die Erhaltungskosten muss der Sondernutzungsberechtigte nur tragen, wenn das so vereinbart ist. Zwar ist es bei Sondernutzungsrechten üblich, dem Sondernutzungsberechtigten die Pflicht zur Instandhaltung auf eigene Kosten aufzuerlegen, weil ein Auseinanderfallen von Nutzungsrecht und Instandhaltungslast als unbefriedigend empfunden wird. Das ändert aber nichts daran, dass eine hiervon abweichende Regelung bereits in der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung selbst oder im Wege einer späteren Vereinbarung der Wohnungseigentümer getroffen werden muss (BGH v. 10.10.2014, V ZR 315/13, Rn. 19).

Was ist für den Verwalter wichtig?

  1. Ein auf Vergemeinschaftung gerichteter Beschluss muss einerseits bestimmt genug sein. Aus dem Beschlusswortlaut muss daher klar, deutlich und zweifelsfrei hervorgehen, dass die Wohnungseigentümer der Gemeinschaft dem Wohnungseigentümer-Verband eine (weitere) Aufgabe zur Ausführung oder Pflich...

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