Normenkette

§ 10 Abs. 3 WEG, § 14 Nr. 1 WEG, § 23 Abs. 1, 4 WEG, § 43 Abs. 1, 4 WEG, § 20 Abs. 1 FGG,

 

Kommentar

Das Bayerische Oberste Landesgericht hat entschieden:

1. Der die Zustimmung zur Umwandlung einer Wohnung in eine Arztpraxis ablehnende Eigentümerbeschluss ist einer Ungültigerklärung zugänglich, wenn er sich nicht in der Ablehnung der beantragten Beschlussfassung erschöpft, sondern zugleich eine die Verwalterin bindende Regelung enthält.

Im vorliegenden Fall war in der Gemeinschaftsordnung u. a. vereinbart, dass die Ausübung eines freien Berufes oder Gewerbes innerhalb der Wohnung der schriftlichen Genehmigung des Verwalters bedürfe und diese verweigert werden könne, wenn mit der Ausübung des Berufes oder Gewerbes erfahrungsgemäß eine über Abs. 1 dieses Paragraphen hinausgehende unzumutbare Belästigung der übrigen Wohnungseigentümer oder eine erheblich erhöhte Abnützung der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gebäudeteile verbunden sei, wobei die Genehmigung auch unter Auflagen erteilt und bei Nichteinhaltung derselben widerrufen werden könne.

Die Eigentümer hatten in einer Versammlung von 1991 die Beschlüsse gefasst, "dass die beabsichtigte Umwandlung der Wohnung Nr. 5 und Nr. 10 in gewerbliche Räume nicht genehmigt werde" und dass der Verwalter beauftragt werde, "entsprechend den Vorschriften der Teilungserklärung den Eigentümern dieser beiden Wohnungen mitzuteilen, dass eine Zustimmung zu einer Umwandlung in gewerbliche Einheiten nicht erteilt werde".

Im vorliegenden Fall wurde nicht etwa nur eine beantragte Beschlussfassung abgelehnt mit der Folge, dass ein Eigentümerbeschluss, der angefochten werden könnte, gar nicht vorliege (BayObLG Z 1984, 213/215; Senatsbeschluss vom 29. 12. 1988, BReg 2 Z 95/88); vielmehr sei im vorliegenden Fall durch Eigentümerbeschluss eine die Verwalterin bindende ( § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG), in ihre Rechte eingreifende Regelung getroffen worden (BayObLG Z 1980, 29/87; BayObLG, NJW-RR 1990, 657/659).

2. Ein Eigentümerbeschluss ist auch für ungültig zu erklären, wenn ihm die zur rechtlichen Beachtlichkeit erforderliche Bestimmtheit fehle. Es könne offen bleiben, ob er aus diesem Grund nicht schon nichtig sei. Die Auslegung von Eigentümerbeschlüssen sei grundsätzlich Sache des Tatrichters, sodass das Rechtsbeschwerdegericht dessen Auslegung nur beschränkt, nämlich auf Rechtsfehler überprüfen könne (BayObLG, WE 1991, 289; a. A. OLG Stuttgart, WM 1991, 414). Eine solche Auslegung eines Eigentümerbeschlusses müsse nach objektiven Maßstäben vorgenommen werden, wobei Umstände, die nicht für jedermann erkennbar seien, nicht berücksichtigt werden könnten; dies folge aus der Regelung des § 10 Abs. 3 WEG (Bindungswirkung von Beschlüssen auch für Sonderrechtsnachfolger).

Im vorliegenden Fall habe dem Beschluss die erforderliche Bestimmtheit gefehlt, da er auf die beabsichtigte Umwandlung der beiden Wohnungen in gewerbliche Räume abgestellt habe, ohne dass aus dem Versammlungsprotokoll erkennbar werde, welche Absicht insoweit bestehe. Die Mindesterfordernisse an inhaltliche Klarheit und Bestimmtheit seien hier nicht gewahrt, da Rechtsnachfolger (spätere Erwerber) weder aus dem Beschlussinhalt noch der Versammlungsniederschrift noch dem Einladungsschreiben entnehmen könnten, dass der Betrieb einer Arztpraxis untersagt werden sollte. Die Ausübung einer Arztpraxis sei kein Gewerbe (vgl. auch § 6 GewO)! Die scharfe Trennung zwischen Gewerbe und freiem Beruf, die in unserer gesamten Rechtsordnung gelte, habe auch in der Gemeinschaftsordnung ihren Niederschlag gefunden, sodass eine Auslegung des Beschlusses dahin, dass er auch die Ausübung eines freien Berufes erfasse, nicht möglich sei.

Sicher konnte die Eigentümerversammlung die nach der Gemeinschaftsordnung dem Verwalter eingeräumte Entscheidungsbefugnis auch an sich ziehen (vgl. BayObLG, NJW-RR 1991, 849/850). Es brauchte allerdings nicht entschieden zu werden, ob in der Wohnung der Antragstellerin eine Arztpraxis betrieben werden könne.

Insoweit sei zu bemerken, dass der Eigentümerbeschluss nicht deshalb gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung verstoße, weil er die Verordnung vom 28. 7. 1992 (BayGVBl 1992, 278) nicht beachte, die das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum erstmals auf die Gemeinde G. ausdehne; diese Verordnung sei erst am 1. 10. 1992 in Kraft getreten.

Allerdings werde bei der Auslegung der hier einschlägigen Gemeinschaftsordnungsvereinbarung vor allem zu beachten sein, dass diese Vorschrift dem einzelnen Wohnungseigentümer für die Berufs- und Gewerbeausübung eine über den gesetzlichen Rahmen des § 14 Nr. 1 WEG hinausgehende Befugnis einräume, denn als Grenze seien hier eine "unzumutbare Belästigung" und eine "erheblich erhöhte Abnützung der im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Gebäudeteile" genannt, während nach § 14 Nr. 1 WEG nur solche Nachteile hingenommen werden müssten, die bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidlich seien (BayObLG, WM 1986, 352).

3. Im Beschlussanfechtungsverfahren ergibt sich die ...

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