Leitsatz
Die Eltern von drei Kindern hatten sich im Dezember 2002 getrennt. Die in den Jahren 1987, 1990 und 1991 geborenen Kinder lebten seither bei ihrem Vater. Das älteste Kind war bereits volljährig.
Der Vater und der volljährige Sohn nahmen die Beklagte für die Zeit ab Juli 2003 auf Zahlung von Kindesunterhalt in Anspruch. Sie arbeitete 25 Wochenstunden als Verwaltungsfachangestellte. Diesen Arbeitsplatz hatte sie seit dem Jahre 1982 inne. Bedingt durch die Geburten der Kinder hatte sie ihre Tätigkeit mit Erziehungsurlaub bis zum 31.1.2003 unterbrochen. Seither arbeitete sie wieder in ihrer alten Arbeitsstelle mit 25 Wochenstunden. Ihre Arbeitgeberin lehnte eine Erhöhung der Wochenstundenzahl ab. Seit April war die Beklagte arbeitssuchend beim Arbeitsamt gemeldet und hatte sich unabhängig davon selbst um eine besser bezahlte Nebentätigkeit bemüht. Neben ihrer Tätigkeit als Verwaltungsfachangestellte übte sie eine Nebentätigkeit aus. Im Jahre 2004 beliefen sich die Einkünfte aus dieser Nebentätigkeit auf insgesamt 1.280,00 EUR.
Kernproblem des Falles war die Frage, ob der Beklagten zugemutet werden könne, ihren krisensicheren Arbeitsplatz, den sie seit 1982 innehatte, zugunsten einer vollschichtigen und besser bezahlten Tätigkeit aufzugeben.
Erstinstanzlich wurde die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von Kindesunterhalt verurteilt.
Gegen dieses Urteil legte sie Berufung ein und machte geltend, in der angefochtenen Entscheidung sei ihre Leistungsfähigkeit nicht richtig bewertet worden.
Sachverhalt
siehe Kurzzusammenfassung
Entscheidung
Das OLG hielt die Berufung der Beklagten für zum Teil begründet. Aufgrund ihrer Einkommenssituation sei sie nicht in der Lage und verpflichtet, den erstinstanzlich ausgeurteilten Unterhalt für die drei Kinder zu zahlen.
Eine Verpflichtung der Beklagten, ihren Teilzeit-Arbeitsplatz aufzugeben, verneinte das OLG, da das berufliche Risiko, bei einem anderen Arbeitgeber bei vollschichtiger Tätigkeit geringere Einkünfte zu erzielen, überwiege und es somit unzumutbar erscheine, den langjährigen Arbeitsplatz mit der entsprechenden sozialen Absicherung aufzugeben.
Im Übrigen sei davon auszugehen, dass das monatliche Nettoeinkommen der Beklagten von 1.290,00 EUR in einem neuen Beschäftigungsverhältnis auch bei Vollzeittätigkeit nicht wesentlich zu steigern sei. Sie sei vielmehr auf Nebentätigkeiten und die Fortbildung im Rahmen ihrer bisherigen Beschäftigung zu verweisen, um auch dort die Arbeitszeit längerfristig ausweiten zu können.
Die Bewerbungsbemühungen der Beklagten um eine Nebentätigkeit hielt das OLG für nicht ausreichend. Die Anzahl der geltend gemachten Bewerbungen entspreche in keiner Weise dem Umfang, der im Hinblick auf die Unterhaltsverpflichtung gegenüber den Kindern von ihr abzuverlangen sei. Auch der Vortrag der Beklagten, dass es nicht möglich gewesen sei, umfangreichere Nebentätigkeiten auszuüben, sei nicht hinreichend substantiiert, um von einer Fiktion von Nebeneinkünften Abstand zu nehmen.
Das OLG ging davon aus, bei entsprechenden Bemühungen um eine Nebentätigkeit hätte die Beklagte eine solche finden können, die einen durchschnittlichen Nettoverdienst von 300,00 EUR monatlich erbracht hätte. Diese Einkünfte seien in die Unterhaltsberechnung einzustellen.
Hinweis
Eine erfreulich realistische Entscheidung des OLG Schleswig hinsichtlich der Unzumutbarkeit der Aufgabe des bisherigen Arbeitsplatzes der gegenüber drei Kindern unterhaltsverpflichteten Mutter.
Trotz der sehr rigorosen Rechtsprechung zur gesteigerten Unterhaltsverpflichtung gegenüber minderjährigen Kindern zeigt die Entscheidung auf, dass es im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände aus dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit durchaus zu einer Ausnahmeregelung kommen kann. Statt der in der Regel verlangten vollschichtigen Erwerbstätigkeit hielt das OLG Schleswig es für ausreichend, die Leistungsfähigkeit der Mutter über eine entsprechende Nebentätigkeit zu fingieren, wobei es die notwendige Zeit für eine sinnvoll gehaltene Fortbildung gebührend berücksichtigte.
(Zur gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber minderjährigen Kindern vgl. auch Heinle, FamRB 2006, 201 m.w.N..)
Link zur Entscheidung
Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 12.03.2007, 15 UF 99/06