Leitsatz
Das OLG hatte sich mit der Frage zu befassen, ob der beauftragte Anwalt auch ohne besondere Weisung wirksam auf die Geltendmachung von Rechten aus einem bestehenden Titel verzichten kann, wenn eine anwaltliche Formularvollmacht mit dem Mandat "Volljährigenunterhalt" erteilt worden ist.
Sachverhalt
Der Kläger war der Vater der Beklagten und hatte sich am 26. Februar 2001 in einer Jugendamtsurkunde verpflichtet, Kindesunterhalt für sie zu zahlen. In dieser Urkunde hatte er sich der Vollstreckung unterworfen.
Im August 2006 zahlte der Kläger letztmalig Unterhalt gemäß dieser Urkunde. Die Beklagte beauftragte deswegen einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen und unterzeichnete an dem Tage der Beauftragung eine Vollmacht. Als Gegenstand des Mandats war dort "Volljährigenunterhalt" vermerkt. Die formularmäßige Vollmacht führte unter den Befugnissen, die sie dem Bevollmächtigten verleiht, u.a. das Recht, den Rechtsstreit oder außergerichtliche Verhandlungen durch Vergleich oder Anerkenntnis zu erledigen.
Es folgte dann einige Korrespondenz zwischen den Parteien, in der der von der Beklagten beauftragte Rechtsanwalt wiederholt angab, eine Verzichtserklärung durch die Beklagte könne nur nach gründlicher Prüfung der Leistungsfähigkeit erfolgen. Er bat ausdrücklich darum, vorerst keine Abänderungsklage zu erheben und versicherte, bis zur Klärung keine Vollstreckung aus der Urkunde zu betreiben.
Am 14.5.2007 schrieb der Kläger den Rechtsanwalt der Beklagten erneut an und drohte nunmehr mit Erhebung einer Abänderungsklage, falls nicht bis zum 18. Mai 2007 die Verzichtserklärung vorgelegt und die Urkunde herausgegeben werde. Unter dem 29.5.2007 erteilte der Rechtsanwalt der Bevollmächtigten des Klägers mit, dass er namens und in Vollmacht seiner Mandantin auf die Geltendmachung ihrer Rechte aus der Jugendamtsurkunde verzichte.
Unter dem 31.5.2007 teilte der Rechtsanwalt der Beklagten mit, sie habe telefonisch erklärt, mit einem Verzicht nicht einverstanden zu sein, er nehme diesen daher zurück. Am 5. Juni 2007 teilte die Bevollmächtigte des Klägers mit, dass der Verzicht angenommen werde. Da der Widerruf weder vor noch gleichzeitig mit dem Schreiben vom 25. Mai 2007 zugegangen sei, halte sie den Widerruf für unwirksam und daher für unerheblich.
Die Beklagte kündigte das Mandatsverhältnis zu ihrem Bevollmächtigten und behauptete, dieser sei nicht befugt gewesen, einen Verzicht auszusprechen. Den Titel gab sie trotz Aufforderung nicht an den Kläger heraus.
Der Kläger erhob daher Vollstreckungsgegenklage. Durch Urteil des AG wurde daraufhin die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung festgestellt und die Herausgabe des Titels angeordnet.
Gegen dieses Urteil wandte sich die Beklagte mit der Berufung und trug vor, ihr Rechtsanwalt sei nicht bevollmächtigt gewesen, die streitige Verzichtserklärung abzugeben.
Ihr Rechtsmittel war nicht erfolgreich.
Entscheidung
Das OLG vertrat die Auffassung, das AG sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Beklagte wirksam auf die Vollstreckung aus der Jugendamtsurkunde verzichtet habe und deswegen ein nach § 767 ZPO beachtliches Vollstreckungshindernis bestehe.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Beklagte ihren Rechtsanwalt damit beauftragt habe, als ihr Vertreter zur weiteren Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen gegen den Kläger tätig zu werden. Dies entspreche der von ihr unterzeichneten Vollmacht. Diese Bevollmächtigung erfasse auch die Verteidigung gegen das von dem Kläger später vorgebrachte Anliegen. Eine einengende Auslegung, wonach der Rechtsanwalt lediglich die Zwangsvollstreckung aus dem Titel habe einleiten sollen, sei in der Urkunde nicht angedeutet und widerspreche im Übrigen eklatant dem weiteren Vorgehen der Beklagten, die im Einvernehmen mit ihrem Anwalt unstreitig seit September 2006 bis zur Klageerhebung im Juli 2007 von einer Zwangsvollstreckung abgesehen habe.
Die später abgegebene Erklärung des Rechtsanwalts beziehe sich im Übrigen lediglich darauf, dass die Beklagte "auf die Geltendmachung ihrer Rechte in Bezug auf die erstellte Unterhaltsurkunde des Jugendamts verzichte". Ein Verzicht auf Volljährigenunterhalt werde gerade nicht erklärt. Daraus, dass die Beklagte erst nach der Beauftragung eines Rechtsanwalts erfahren habe, dass der Kläger einen Verzicht von ihr forderte, könne sich nach dem im Einverständnis mit der Beklagten weitergeführten Mandat nichts gegen den Umfang der zunächst erteilten Vollmacht ergeben.
Im Übrigen habe sich nach Anhörung der Beklagten ergeben, dass sie den Rechtsanwalt aufgesucht habe, weil für den September 2006 keine Unterhaltszahlung für sie eingegangen war. Die Vollmachtsurkunde habe sie nach eigenem Bekunden auch durchgelesen. Soweit sie angegeben habe, dass ihr selbst klar war, dass sie nicht habe verzichten wollen, könne dies eine Einschränkung der umfassend erteilten Vollmacht nicht bewirken, da geheime Vorbehalte nach § 116 BGB mit der Folge unbeachtlich seien, dass die erklärte, uneingeschränkte Bevoll...