Sachverhalt
Bei dem Vorabentscheidungsersuchen des Landesgericht für ZRS Wien ging es ebenso wie bei dem Vorabentscheidungsersucen des VAT and Duties Tribunal, London, v. 24.8.2004 (Rs. C-369/04, Hutchinson 3G UK Ltd u.a) um die Steuerbarkeit der Versteigerung sog. UMTS-Lizenzen durch die öffentliche Hand.
Das österreichische Vorlagegericht fragte: Ist die Zuteilung von Frequenznutzungsrechten für Mobilfunksysteme nach den Standards UMTS/IMT-2000, GSM-DCS-1800 und TETRA durch einen Mitgliedstaat gegen ein Frequenznutzungsentgelt eine Tätigkeit auf dem Gebiet des Fernmeldewesens? Ist diese Tätigkeit angesichts des gezahlten Entgelts nicht unbedeutend und von daher unternehmerisch? Ist der Mitgliedstaat mit der Versteigerung der Frequenzen noch im Rahmen öffentlicher Gewalt tätig geworden? Ist die Zuteilung der Frequenzen an sich eine unternehmerische Tätigkeit unabhängig vom Status des Mitgliedstaates als öffentliche Einrichtung? Ist das festgesetzte Nutzungsentgelt ein Bruttobetrag, der die Umsatzsteuer einschließt oder ein Nettobetrag?
Bei dem Verfahren ging es also um die Auslegung von Artikel 4 Abs. 5 i.V.m. Anhang D Nr. 1 der 6. EG-Richtlinie (ab 1.1.2007: Artikel 13 i.V.m. Anhang I MwStSystRL). Diese Auslegung war in einem Zivilrechtsstreit entscheidungserheblich, in dem die Klägerinnen von der Republik Österreich die Ausstellung einer Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis für Frequenznutzungsentgelte verlangten, die sie im Zusammenhang mit der Ersteigerung von Mobilfunklizenzen entrichtet hatten. Inhaltlich geht es um die Frage, ob die Versteigerung der Mobilfunkfrequenzen umsatzsteuerlich als steuerbare und steuerpflichtige (quasi gewerbliche) Tätigkeit des Staates oder vielmehr als hoheitliche, nicht steuerbare Tätigkeit zu qualifizieren war.
Das Verfahren hatte auch unmittelbare Bedeutung für die in Deutschland durchgeführten Versteigerungen. Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) versteigerte im August 2000 Lizenzen für den Betrieb von UMTS-Mobilfunknetzen. Die Lizenzen wurden für einen Erlös von rund 99,3 Mrd. DM (rd. 50,8 Mrd. Euro) ersteigert.
Entscheidung
Der EuGH hat nur die 6. Frage des österreichischen Gerichts (ob die Lizenzversteigerung eine wirtschaftliche Tätigkeit nach Artikel 4 Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie - Nutzung eines Gegenstands zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen - war) beantwortet. Nach der Entscheidung war die Lizenzversteigerung keine wirtschaftliche Tätigkeit und fiel folglich nicht in den Anwendungsbereich der 6. EG-Richtlinie.
Der EuGH begründet dies im Wesentlichen damit, dass die streitige Tätigkeit in der Erteilung von Konzessionen bestand, die es den diese Konzessionen erhaltenden Unternehmern erlaubte, von den damit verbundenen Nutzungsrechten in der Weise Gebrauch zu machen, dass sie ihre Dienstleistungen auf dem Mobilfunkmarkt öffentlich gegen Entgelt anbieten. Für diese Tätigkeit sei sowohl nach der entsprechenden EG-Richtlinie als auch dem nationalen Gesetz ausschließlich der betreffende Mitgliedstaat zuständig gewesen.
Die Lizenzerteilung stelle sich somit als notwendige Vorbedingung für den Zugang von Wirtschaftsteilnehmern zum Mobilfunkmarkt dar. Sie stelle selbst keine Teilnahme der zuständigen nationalen Behörde an diesem Markt dar. Es seien ausschließlich die betreffenden Unternehmer als Inhaber der zugeteilten Rechte, die auf dem Mobilfunkmarkt tätig seien und die Lizenzen nutzten, um daraus nachhaltig Einnahmen zu erzielen. Daher sei die Lizenzversteigerung der Natur der Sache nach keine Tätigkeit von Wirtschaftsteilnehmern gewesen.
Dass die betreffenden Unternehmer ihre Nutzungsrechte für Funkfrequenzen später übertragen können, sei unerheblich. Eine solche Übertragung sei abgesehen davon, dass sie der Kontrolle der für die Frequenzzuteilung zuständigen nationalen Regulierungsbehörde unterliege, nicht mit der Erteilung einer behördlichen Konzession vergleichbar. Wenn die zuständige nationale Behörde eine solche Konzession erteilt, beteiligt sie sich also nicht an der Nutzung des in den Nutzungsrechten für Funkfrequenzen bestehenden Gegenstands, um daraus nachhaltig Einnahmen zu erzielen. Mit dem betreffenden Zuteilungsverfahren übt sie ausschließlich eine ihr ausdrücklich übertragene Kontroll- und Regelungstätigkeit in Bezug auf die Nutzung des elektromagnetischen Spektrums aus. Unerheblich sei auch, dass die Zuteilung der Lizenzen gegen Zahlung eines Entgelts geschah.
Hinweis
Es ist erstaunlich, dass der EuGH geprüft hat, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit vorlag. Aus meiner Sicht konnte dies im Ergebnis dahinstehen. Aus der Entscheidung kann nicht der Schluss gezogen werden, staatliche Regulierungstätigkeit sei immer nicht wirtschaftlich. Ansonsten liefe Artikel 13 MwStSystRL vollkommen ins Leere, der die Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand für den Fall vorschriebt, dass sie sich im Wettbewerb mit Privatunternehmern befindet und eine Nichtbesteuerung der öffentlichen Hand zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde...