1 Leitsatz

Einer Veräußerung muss ungeachtet einer Veräußerungsbeschränkung nicht zugestimmt werden, wenn die durch § 12 WEG geschützten Interessen offensichtlich und unabhängig von den wirtschaftlichen Gegebenheiten des Einzelfalls nicht tangiert sein können.

2 Normenkette

§ 12 Abs. 1 WEG

3 Das Problem

X, Eigentümer sämtlicher Wohnungseigentumsrechte, bringt am 29.12.2022 das Eigentum an diesen in eine am selben Tag gegründete X-GbR ein, deren 3 Gesellschafter sämtlich mit ihm in gerader Linie verwandt sind. In den Grundbüchern ist eine Veräußerungsbeschränkung eingetragen, wonach eine Weiterveräußerung der Zustimmung bedarf. Dies gelte allerdings nicht im Fall der Veräußerung an Verwandte in gerader Linie. Fraglich ist, ob X einer Zustimmung zur Veräußerung bedarf.

4 Die Entscheidung

Das OLG verneint die Frage! Ein Nachweis der Zustimmung sei nicht erforderlich, wenn die durch § 12 geschützten Interessen offensichtlich und unabhängig von den wirtschaftlichen Gegebenheiten des Einzelfalls nicht tangiert sein könnten. Der Zweck einer Veräußerungsbeschränkung bestehe darin, vor dem Eindringen wirtschaftlich oder persönlich ungeeigneter Erwerber oder der Erweiterung des Sondereigentums derartiger Miteigentümer zu schützen (Hinweis auf OLG Hamm, Beschluss v. 28.8.2006, 15 W 15/06, FGPrax 2007, 10). Ein solcher Fall liege hier nicht vor, da X Eigentümer sämtlicher Wohnungseigentumsrechte sei und alle Wohnungseigentumsrechte in die X-GbR eingebracht habe. Die X-GbR trete somit nicht in eine bereits bestehende Gemeinschaft ein, sondern die Gemeinschaft werde durch einen Übertragungsakt neu gebildet. Der Schutzzweck des Zustimmungserfordernisses sei daher nicht tangiert und das Grundbuchamt hätte die Eintragung der X-GbR nicht von der Beibringung der Verwalterzustimmung abhängig machen dürfen (Hinweis auf OLG Saarbrücken, Beschluss v. 7.11.2011, 5 W 214/11, NZM 2012, 390).

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es um die Frage, ob eine Veräußerung vorliegt und ob die Verwaltung dieser zustimmen muss.

Veräußerung

"Veräußerung" im Sinne von § 12 Abs. 1 WEG meint nach herrschender Meinung die rechtsgeschäftliche Übertragung des gesamten Wohnungseigentums unter Lebenden im Gegensatz zur Enteignung, zum Eigentumsübergang kraft Gesetzes (Erbfall, Zuschlag in der Zwangsversteigerung) oder zur Erbteilsabtretung und zur Belastung des Wohnungseigentums. Ob die Veräußerung entgeltlich oder unentgeltlich geschieht, ist nicht maßgeblich, es sei denn, das Zustimmungserfordernis wäre beispielsweise ausdrücklich an einen "Verkauf" geknüpft. Als "Normalfall" kann man insoweit einen Veräußerungsvertrag zwischen einem Wohnungseigentümer und seinem Sondernachfolger beschreiben. Die Einbringung eines Wohnungseigentumsrechts in eine Gesellschaft ist danach eine Veräußerung (siehe nur Elzer, NotBZ 2019, 370, 371).

Notwendigkeit der Zustimmung

Eine Zustimmung soll nach herrschender Meinung entbehrlich sein, wenn sämtliche Wohnungseigentumsrechte übertragen werden. Dieser Ansicht schließt sich das OLG an. Das überzeugt, da in diesem Fall nicht erkennbar ist, wer durch die Veräußerungsbeschränkung geschützt werden könnte.

Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?

Eine nach § 12 Abs. 1 WEG notwendige Zustimmung darf nur aus wichtigem Grund versagt werden. Ein wichtiger Grund ist gegeben, wenn der Erwerbsinteressent finanziell oder persönlich unzuverlässig ist. Ein Erwerbsinteressent ist finanziell unzuverlässig, wenn aufgrund von Tatsachen aus objektiver Sicht zu erwarten ist, dass er das Hausgeld – auch konkret absehbare erhebliche finanzielle Belastungen durch umfangreiche Erhaltungsmaßnahmen – künftig nicht bedienen kann. Persönliche Unzuverlässigkeit liegt vor, wenn der Erwerbsinteressent aufgrund von Tatsachen aus objektiver Sicht voraussichtlich gegen die Pflichten aus § 14 WEG, gegen Gebrauchsbestimmungen oder gegen Bestimmungen der Hausordnung verstoßen wird. Die gemeinschaftswidrige Gefahr muss ihre Ursache in der Person oder im Umfeld des Erwerbers haben.

Für die Prüfung müssen der Veräußerer und der Verwalter zusammenwirken. In der Regel bittet der den Kaufvertrag beurkundende Notar den Verwalter um Zustimmung. Dabei müsste eigentlich der Notar oder der Veräußerer dem Verwalter das für die Zustimmung notwendige Wissen vermitteln. Ein professionell handelnder Verwalter wird dennoch auch von sich aus versuchen, die notwendigen Informationen selbst zu beschaffen. Dem Verwalter sind solche Nachforschungen zumutbar, die unter Einschaltung des Veräußerers zeitnah und ohne größeren Kostenaufwand eine hinreichende Schlussfolgerung auf die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse des Käufers zulassen. Um an Informationen "heranzukommen", darf und muss der Verwalter in der Regel vor allem an den Veräußerer persönlich herantreten. Der veräußernde Wohnungseigentümer ist nach der Rechtsprechung dann verpflichtet, dem Verwalter jede ihm mögliche Information über den Käufer zu erteilen. Ferner ist der Veräußerer verpflichtet, den Käufer zu einer "Selbstauskunft" zu veranlassen, damit der Verwalter seiner Verpfli...

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