Leitsatz
1. Soweit in Ergänzung des § 22 Abs. 2 WEG in der Teilungserklärung eine Regelung enthalten ist, daß bei teilweiser Zerstörung eine Wiederherstellung des Gebäudes nur mit qualifizierter Mehrheit beschlossen werden kann, ist dies nicht auf die eintretende Baufälligkeit durch unterlassene Instandsetzung zu beziehen, sondern allenfalls auf Fälle plötzlicher Zerstörung.
2. Wird die widerstrebende Mehrheit seitens des Wohnungseigentumsgerichts zur Zustimmung der Verwaltungsmaßnahme verpflichtet, ergibt sich die gleiche Rechtslage, als ob die Wohnungseigentümer einen entsprechenden Versammlungsbeschluß gefaßt hätten.
Sachverhalt
Innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft besteht Streit über die Sanierung einer Tiefgarage. Besagte Tiefgarage befindet sich seit Jahren in einem derart desolaten Zustand, daß eine Nutzung durch die Wohnungseigentümer nicht mehr möglich ist. Die Gemeinschaftsordnung der Wohnungseigentümer enthält aber die Bestimmung, daß es der ¾-Mehrheit zum Wiederaufbau auch nur teilweise zerstörter Gebäudeteile bedarf. Einige Wohnungseigentümer bestanden nun auf einer Sanierung der Garage und strengten einen entsprechenden Versammlungsbeschluß an. In der Abstimmung entschied sich nur ein Drittel der Wohnungseigentümer für eine Sanierung. Die erforderliche Mehrheit laut Gemeinschaftsordnung wurde also nicht erreicht. Die unterlegene Minderheit gab sich gleichwohl nicht geschlagen und beschritt den Rechtsweg.
Entscheidung
Mit Erfolg! Zum besseren Verständnis der Entscheidung muß man sich vor Augen halten, daß es einerseits Instandsetzungs- und Instandhaltungsmaßnahmen gibt, die jeder Wohnungseigentümer unabhängig von einer etwaigen Beschlußmehrheit verlangen kann, andererseits jedoch Fallgestaltungen denkbar sind, in denen ein Gebäude oder zumindest der größere Teil davon zerstört sind. In einem solchen Fall kann - wenn nicht eine Versicherung besteht oder Schaden anderweitig gedeckt ist - der einzelne Wohnungseigentümer nicht Abhilfe verlangen. Hier muß entweder Einstimmigkeit vorliegen oder aber eine entsprechende Abrede zwischen den Wohnungseigentümern vorliegen, zum Wiederaufbau zusammenzuwirken. Dies bringt der im Leitsatz erwähnte § 22 Abs. 2 WEG zum Ausdruck. Soweit die gesetzliche Regelung, von der jedoch, wie in weiten Teilen des Wohnungseigentumsgesetzes, abgewichen werden kann. Das ist hinsichtlich der Gemeinschaftsordnung in unserem Fall auch geschehen, da hierin bereits eine teilweise Zerstörung - wohl auch - unter der Hälfte des Gebäudes ausreicht.
Und genau an diesem Punkt wurde es dann schwammig. Denn wenn schon von einer gesetzlichen Regelung abgewichen werden soll, muß deutlich sein, inwieweit dies geschehen soll. Und das gilt in besonderem Maße in diesem Fall: Mit der Ausdehnung der in Rede stehenden Bestimmung der Gemeinschaftsordnung auf die teilweise Zerstörung ohne jede Angabe des Zerstörungsgrades fehlt eine Abgrenzung zwischen der bloßen Beschädigung des Gebäudes, welche die normale Instandsetzungspflicht auslöst und der Teilzerstörung, welche den Wiederaufbau an die Zustimmung der doppelt qualifizierten Mehrheit knüpft. Würde man die Gemeinschaftsordnung so stehen lassen, würde das bedeuten, daß jede geringfügige Zerstörung eines Gebäudeteils als Teilzerstörung angesehen werden könnte. Alles würde also praktisch darauf hinauslaufen, daß normale Instandsetzungsmaßnahmen dem Bereich ordnungsgemäßer Verwaltung entzogen wären und durch Verschleppung von Reparaturmaßnahmen sogar eine Teilzerstörung herbeigeführt werden könnte.
Soweit also die Untergrenze der Teilzerstörung derart unbestimmt ist, daß eine Abgrenzung von der bloßen Beschädigung von Gebäudeteilen nicht mehr möglich ist, muß der Begriff der Teilzerstörung zumindest in der Weise begrenzt werden, daß darunter nur plötzlich eintretende, unvorhersehbare Teilbeschädigungen fallen, nicht dagegen die Verschleppung notwendiger Instandsetzungsmaßnahmen. Nicht zu schweigen davon, daß es letztlich treuwidrig und für einzelne Wohnungseigentümer unzumutbar ist, Teile ihres Sondereigentums nicht nutzen zu können, nur weil notwendige Reparaturmaßnahmen an Teilen des Gemeinschaftseigentums nicht durchgeführt werden.
Link zur Entscheidung
KG Berlin, Beschluss vom 20.06.1997, 24 W 9042/96
Fazit:
An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, jedwede Vereinbarung so genau und exakt wie möglich zu treffen. Denn bei der Auslegung vom Gesetz abweichender Regelungen kommt es nicht auf den Willen der Erklärenden an, sondern auf das, was jeder gegenwärtige und zukünftige Betrachter als objektiven Sinn der Erklärung ansehen muß.
Ist wie hier von der Vorinstanz die Verpflichtung zur Sanierung ausgesprochen worden, bedarf es keines zusätzlichen Beschlusses der Wohnungseigentümer hierzu. Dieser ist durch die gerichtliche Entscheidung ersetzt worden. Stimmt also die Mehrheit der Wohnungseigentümer gegen eine Maßnahmen, wird sie jedoch seitens des Gerichts hierzu verpflichtet, so wird praktisch ein entsprechender Mehrheits- bzw. Einstimmigke...