Dr. Wolf-Dietrich Deckert†
Leitsatz
Normenkette
§ 22 Abs. 4, 5 Nr. 2 WEG, § 22 Abs. 2 WEG
Kommentar
1. In der Gemeinschaftsordnung war vorliegend vereinbart:
"In Ergänzung des § 22 WEG wird für den Fall des Wiederaufbaus folgendes bestimmt: 2. Wird das Gebäude ganz oder teilweise zerstört und ist der Schaden nicht durch Versicherung oder in anderer Weise gedeckt, so kann der Wiederaufbau nur mit einer Mehrheit von mindestens 3/4 der anwesenden Stimmen, die mindesten 2/3 der Miteigentumsanteile vertreten müssen, beschlossen werden."
Nach einem Gutachten befand sich die Tiefgarage mit Stellplatz-Teileigentum der Antragsteller in äußerst schlechtem baulichen Zustand; die Garagen waren nicht mehr benutzbar. Der Gutachter empfahl diverse hohe Sanierungsmaßnahmen. Antragstellerseits wurde die Verwaltung aufgefordert, Kostenangebote für die Garagensanierung einzuholen und über die Sanierung Beschlussfassung der Gemeinschaft herbeizuführen. Sanierung wurde von der Gemeinschaft mehrheitlich abgelehnt.
Der Verpflichtungsantrag zweier Garageneigentümer (individual-rechtlicher Anspruch gem. § 21 Abs. 4, Abs. 5 Nr. 2 WEG) hatte in allen drei Instanzen Erfolg.
2. Verfahrensfehlerfrei wurde vom LG festgestellt, dass die Tiefgarage sanierungsbedürftig sei, weil vor allem Decke und Stahlträger baufällig seien, also zwingende Teile des Gemeinschaftseigentums des Gesamtgebäudes. Die Gegenseite könne sich hier nicht auf § 22 Abs. 2 WEGberufen, dass weder die einfache Mehrheit für die Instandsetzung, noch die hier nach Gemeinschaftsordnungs-Vereinbarung doppelt qualifizierte Mehrheit zugestimmt habe. Allerdings war die Tiefgarage nicht bereits seit Begründung der Gemeinschaft in einem schlechten Zustand. Eine Sanierung kann jedoch selbst dann als Instandsetzungsmaßnahme von jedem Eigentümer gefordert werden, wenn im Sinne des § 22 Abs. 2 WEG gegenwärtig ein derartiger Verfall der Tiefgarage vorliegen sollte, der einer Zerstörung gleich zu achten wäre. Dabei kann auch dahinstehen, wie bei Mehrhausanlagen zu verfahren sei, bei denen nur einzelne Gebäude zerstört seien (vgl. dazu Merle, WE 97, 81). Im vorliegenden Fall stellt die Tiefgarage einen untergeordneten Bestandteil der Baulichkeiten des gemeinschaftlichen Grundstücks dar; für den Zerstörungsgrad ist also der Gesamtgebäudewert in unzerstörtem Zustand dem Wert mit sanierungsbedürftiger Tiefgarage gegenüberzustellen. Selbst bei einem Sanierungskostenaufwand bis zu 1 Mio. DM wäre nicht erkennbar, dass die Wiederherstellung der Garage mehr als die Hälfte des Werts des in bevorzugter Wohnlage befindlichen Gebäudes ausmacht.
Die gesetzliche Regelung des § 22 Abs. 2 WEG ist nach h.M. abdingbar (vgl. auch BayObLG, WE 96, 468). Die vorliegend abweichende Vereinbarung ist allerdings nach objektiven Kriterien auszulegen. Mit einer Ausdehnung der Vereinbarung auf "teilweise Zerstörung" ohne jegliche Angabe des Zerstörungsgrades fehlt hier eine Abgrenzung zwischen der bloßen Beschädigung des Gebäudes, welche die normale Instandsetzungspflicht nach § 21 WEG auslöst und der Teilzerstörung, welche den Wiederaufbau an die Zustimmung der doppelt qualifizierten Mehrheit knüpft. Da bereits jede geringfügige Zerstörung eines Gebäudeteils auch als Teilzerstörung angesehen werden könnte, deren Untergrenze nicht beschrieben ist, würde die hier vereinbarte Sonderregelung darauf hinauslaufen, dass normale Instandsetzungsmaßnahmen dem Bereich der Verwaltungsmaßnahmen gem. § 21 WEG entzogen würden; durch Verschleppung von Reparaturmaßnahmen könnte sogar eine Teilzerstörung herbeigeführt werden. Ohne auf die Möglichkeit einer Verschärfung von Sanierungsmaßnahmen näher eingehen zu müssen, muss bei derart unbestimmter Regelung der Untergrenze einer Teilzerstörung (soll der Begriff nicht ersatzlos fortfallen) diese zumindest in der Weise begrenzt werden, dass darunter nur plötzlich eintretende, unvorhergesehene Teilbeschädigungen des Gebäudes (z.B. Wohnungs- oder Dachstuhlbrand) fallen, dagegen nicht die Verschleppung von notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen, die schließlich zu einem Teilverfall von Gebäudeteilen führen. Allein durch die schuldhafte Verzögerung von Instandsetzungsmaßnahmen durch die Eigentümermehrheit und den Verwalter kann jedenfalls ein Fall der Teilzerstörung mit Wiederaufbaupflicht nur bei qualifizierter Mehrheit nicht herbeigeführt werden. Die Eigentümergemeinschaft müsste sich insoweit auch den Vorwurf der Treuwidrigkeit entgegenhalten lassen, wenn sie durch Verzögerung angezeigter Reparaturmaßnahmen eine Teilzerstörung in Kauf nimmt. Auch ein erheblicher Sanierungs-Kostenaufwand kann hier nicht zu einem anderen Ergebnis führen, zumal bei einem Unterbleiben der Reparatur die Stellplatzeigentümer auf Dauer von der Nutzung ihrer Stellplätze ausgeschlossen würden.
Über Kostenverteilung, Durchführung der Sanierung und auch die Finanzierung müsse darüber h...