Leitsatz

Gegenstand der Entscheidung war die einer Rechtsanwältin zustehende Vergütung für ihre anwaltliche Tätigkeit in einem Beratungshilfeverfahren. Dem Rechtssuchenden war beim AG ein Berechtigungsschein für die darin so bezeichnete "Angelegenheit: Beratung wegen Ehescheidung und Folgesachen" erteilt worden. Auf dieser Grundlage war die Antragstellerin mandatiert worden und hatte sodann außergerichtliche Tätigkeiten in den Bereichen Trennung und Ehescheidung entfaltet und dabei insbesondere Fragen zum Sorgerecht und Kindesumgang, zur Hausratsteilung und zu vermögensrechtlichen Regelungen bearbeitet.

Diese einzelnen Tätigkeitskomplexe hat sie in ihrer Vergütungsabrechnung jeweils als getrennte Angelegenheit behandelt und dafür insgesamt 299,80 EUR geltend gemacht.

Der Kostenbeamte ist demgegenüber nur von einer (alle vorgenannten Komplexe umfassenden) Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ausgegangen und hat lediglich eine Vergütung von 99,96 EUR festgesetzt. Die hiergegen von der Rechtsanwältin erhobene Erinnerung hat das AG zurückgewiesen.

Auf die Beschwerde hat das LG mit dem angefochtenen Beschluss die Entscheidung abge3ändert und die beantragte Vergütung zugunsten der Beschwerdeführerin bewilligt.

Hiergegen hat die Staatskasse die vom LG ausdrücklich zugelassene weitere Beschwerde eingelegt, mit der sie die Wiederherstellung des ursprünglichen Beschlusses verfolgte.

Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg.

 

Sachverhalt

Siehe Kurzzusammenfassung

 

Entscheidung

Das OLG teilte die Auffassung des LG, dass gegenständlich unterschiedliche Familiensachen, für die ein Beratungshilfeschein erteilt worden ist, vergütungsrechtlich jedenfalls in der Regel unterschiedliche Angelegenheiten darstellen und daher entsprechend den in den verschiedenen Gegenständen erfolgten anwaltlichen Tätigkeiten, also nicht nur als eine einheitliche Angelegenheit, gemäß § 44 RVG gegenüber der Staatskasse abgerechnet werden können. Dies gelte auch für den vorliegenden Fall.

Es sei nicht nachvollziehbar, dass alle Folgen von Trennung und Scheidung allein wegen des gemeinsamen Auslösers der verschiedenen Konfliktpunkte einen inneren Zusammenhang aufwiesen, der gebührenrechtlich ihre Zusammenfassung in derselben Angelegenheit rechtfertige.

Folgesachen kenne das Gesetz nur als Scheidungsfolgesachen, die für den Fall der Scheidung einheitlich zu regeln seien und deshalb mit der Ehesache selbst in einem Verbundverfahren zusammengefasst würden. Auch insoweit bedürfe es jedoch einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung, um diese sachlich aufeinander bezogenen und deshalb verfahrensrechtlich im Verbund zu verfolgenden Verfahrensgegenstände auch gebührenrechtlich als eine Einheit auszugestalten.

Diese Vorschrift gelte indes nur für das gerichtliche Verbundverfahren, nicht jedoch für die vorgelagerte außergerichtliche Beratungshilfe (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2009, 430; OLG Köln FamRZ 2009, 1345).

Eine analoge Anwendung von § 16 Nr. 4 RVG auf das Beratungshilfeverfahren scheide aus der Sicht des Senats aus. Zum einen fehle es für eine Analogie an einer dafür erforderlichen Regelungslücke im Gesetz, die zu füllen wäre. Zum anderen passe § 16 Nr. 4 RVG auf die kostenrechtliche Abwicklung des Beratungshilfeverfahrens schon deshalb nicht, weil im gerichtlichen Verbundverfahren der anwaltlichen Vergütung immerhin noch die kumulierten Gegenstandswerte der verbundenen Verfahrensgegenstände zugrunde gelegt würden, was die kostenrechtliche Auswirkung des Verbundes trotz der damit verbundenen Gebührendegression dämpfe. Davon könne bei der Anrechnung der Beratungshilfetätigkeit indes nicht die Rede sein, weil dem Anwalt dort pro Angelegenheit nur eine streitwertunabhängige Festgebühr zustehe.

Das Beratungshilfegesetz selbst definiere den Begriff der Angelegenheit, an den die Frage des Vergütungsumfangs anknüpfe, nicht. Die Auffassung, dass in Familiensachen alle Folgen einer Trennung und Scheidung als Gegenstand der Beratungshilfe dieselbe Angelegenheit beträfen, vernachlässige, dass es sich um unterschiedliche Lebenssachverhalte handele, deren Bearbeitung in der Regel eine jeweils eigenständige - und nicht selten umfangreiche - anwaltliche Leistung erfordere.

Die Tatsache, dass unterschiedliche Konflikte ihren gemeinsamen Grund in der Trennung bzw. Scheidung der Eheleute hätten, reiche jedenfalls im Beratungshilfeverfahren nicht aus, um unter Berücksichtigung der Vorgaben des BVerfG (NJW 2002, 429 = AGS 2002, 273) den inneren Zusammenhang darzustellen, der für die Annahme erforderlich wäre, gebührenrechtlich läge dieselbe Angelegenheit vor.

Ginge man davon aus, dass alle Folgen von Trennung und Scheidung als Gegenstand der Beratungshilfe dieselbe Angelegenheit darstellten, sei fraglich, ob einem Rechtsanwalt eine derartige Vergütungsbegrenzung verfassungsrechtlich überhaupt zugemutet werden könnte.

 

Link zur Entscheidung

OLG Dresden, Beschluss vom 07.02.2011, 20 WF 1311/10

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