Leitsatz
Auf Schadensersatzansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen den Mieter einer Eigentumswohnung wegen Beschädigung des Gemeinschaftseigentums findet die Verjährungsvorschrift des § 548 Abs. 1 BGB keine Anwendung.
(amtlicher Leitsatz des BGH)
Normenkette
BGB § 548 Abs. 1
Kommentar
Zwischen den Parteien bestand bis zum Sommer 2008 ein Mietverhältnis über eine Eigentumswohnung. Anlässlich seines Auszugs am 28.6.2008 benutzte der Mieter den im Eigentum der Wohnungseigentümergemeinschaft stehenden Aufzug zum Transport seiner Möbel. Hierbei wurden 6 Paneele aus Edelstahl beschädigt, wodurch der Gemeinschaft ein Schaden in Höhe von ca. 6.700 EUR entstand. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat ihre Ersatzansprüche an den Vermieter abgetreten. Dieser hat im Dezember 2009 – also ca. 1 ½ Jahre nach der Rückgabe der Eigentumswohnung – Klage erhoben. Der BGH hatte zu entscheiden, ob die Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft der kurzen Verjährung des § 548 Abs. 1 BGB unterliegen.
Nach dieser Regelung verjähren die "Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache" in 6 Monaten nach der Rückgabe. Wendet man diese Vorschrift auf den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt an, so ist die Verjährung am 28.12.2008 eingetreten. Die 1 Jahr später erhobene Klage wäre damit verspätet. Allerdings geht es hier nicht um Ansprüche des Vermieters wegen einer Beschädigung der Mietsache, sondern um Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft wegen Beschädigung des Gemeinschaftseigentums.
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass § 548 Abs. 1 BGB in bestimmten Fällen über den unmittelbaren Wortlaut hinaus angewendet werden kann. Einen solchen Fall hat der BGH bei einer engen wirtschaftlichen Verflechtung zwischen dem Eigentümer und dem Vermieter angenommen (BGH, Urteil v. 11.12.1991, XII ZR 269/90, BGHZ 116 S. 293 betr. 2 GmbH mit gleichem Geschäftsführer und Geschäftssitz). Ebenso gilt § 548 Abs. 1 BGB für die Schadensersatzansprüche eines Eigentümers, der die Sache zur Vermietung einem Dritten überlassen hat (BGH, Urteil v. 21.3.1997, V ZR 217/95, BGHZ 135 S. 152). Diese weite Auslegung wird mit dem Zweck des § 548 Abs. 1 BGB begründet, der eine rasche Klärung von mietvertraglichen Ansprüchen im Anschluss an die Rückgabe der Mietsache sicherstellen soll.
Über die Anwendung des § 548 Abs. 1 BGB auf Ansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft hatte der BGH bislang noch nicht zu entscheiden. In der Literatur wird dies zum Teil bejaht (Streyl, in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 10. Aufl. 2011, § 548 BGB Rdn.30; Emmerich, in Staudinger (2011), § 548 BGB Rdn. 14; Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl. 2008, § 548 BGB Rdn.35). Nach anderer Ansicht gilt für diese Ansprüche die Regelverjährung des § 195 BGB von 3 Jahren (Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des Gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, Rdn. 1219; Palandt/Weidenkaff, § 548 BGB Rdn.5a). Der BGH folgt dieser Ansicht. Er begründet dies im Wesentlichen mit 3 Argumenten:
- Die Erstreckung des § 548 Abs. 1 BGB auf die Fälle einer engen wirtschaftlichen Verflechtung zwischen Eigentümer und Vermieter und auf die Fälle der Gestattung der Vermietung durch den Eigentümer beruhe auf der Erwägung, dass die Personenverschiedenheit letztlich rein zufällig sei. Eine zufällige Schadensverlagerung liege bei der Beschädigung von Gemeinschaftseigentum durch den Mieter einer Eigentumswohnung nicht vor.
- Bei der Vermietung einer Wohnung in einem gewöhnlichen Mehrfamilienhaus sei dem Vermieter der Zeitpunkt der Rückgabe bekannt; deshalb sei er in der Lage das Gebäude zeitnah auf Schäden zu untersuchen. Demgegenüber habe die Wohnungseigentümergemeinschaft in vielen Fällen keine Kenntnis von der Beendigung eines Mietverhältnisses und der Rückgabe der Eigentumswohnung an den Sondereigentümer.
- Die Erstreckung des § 548 Abs. 1 BGB auf die Schadensersatzansprüche der Wohnungseigentümergemeinschaft sei auch nicht im Interesse des Mieters geboten. Der verständige Mieter wisse nämlich, dass das Gemeinschaftseigentum nicht dem Vermieter, sondern der Wohnungseigentümergemeinschaft zusteht.
Verjährung beginnt mit Rückgabe
Die Entscheidung des BGH wirkt sich auch auf den Beginn der Verjährung aus. Zwar wird in der Literatur zum Teil die Ansicht vertreten, dass § 548 BGB ausschließlich als Verjährungshöchstfrist zu verstehen sei. Ist ein Anspruch bereits während des Mietverhältnisses entstanden, so soll hierfür die Regelverjährung der §§ 195, 199 BGB gelten. Ist der Anspruch bei der Rückgabe bereits verjährt, so hat es damit sein Bewenden. Ist die Verjährung noch nicht abgelaufen, so wird sie durch § 548 BGB auf 6 Monate begrenzt (Eckert, NZM 2008, S. 313, 314; Lehmann-Richter, NZM 2009, S. 761, 762).
Der BGH sieht demgegenüber in § 548 Abs. 1 BGB eine umfassende Sonderregelung zu § 200 BGB, die sich auch auf den Verjährungsbeginn erstreckt (BGH, Urteil v. 15.3.2006, VIII ZR 123/05, NJW 2006 S. 1588 unter Rz 9; ebenso Streyl, in Schmidt-Futterer, 10. Aufl. 2010, § 54...