Leitsatz
- Die Verjährung beginnt auch dann mit Eingang des belastenden (Änderungs-)Steuerbescheids, wenn der Steuerberater es als weitere Pflichtverletzung versäumt, gegen diesen Bescheid Einspruch einzulegen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der durch die Steuerbescheide entstandene Nachteil durch die Nichteinlegung des Einspruchs nicht beseitigt, sondern lediglich vertieft wird.
- Bis zum 15.12.2004 ist für den Beginn der Verjährungsfrist gem. Art. 229 EGBGB auf § 68 StBerG a.F. abzustellen.
- Eine Sekundärverjährung, wonach der beklagte Steuerberater den Anspruchsteller auf einen Fehler hinzuweisen hat, besteht dann nicht, wenn der Anspruchsteller bei Beginn der eventuellen Sekundärverjährung schon anderweitig anwaltlich in der Regressfrage vertreten wird.
- Dagegen kann der Steuerberater ausstehendes Honorar aus diesem Sachverhalt verlangen; der Anspruchsteller kann die Unbrauchbarkeit der vertraglichen Leistung des Steuerberaters nicht einwenden, da er damit kumulativ einerseits die Bezahlung der Leistung verweigern und andererseits die Verurteilung zu Schadensersatz fordern würde. Sonst würde er im Ergebnis eine ordnungsgemäße Leistung des Steuerberaters erhalten, ohne dafür bezahlen zu müssen.
Praxishinweis
Das OLG Hamm ist dem Sachvortrag des beklagten Steuerberaters in erster Instanz in vollem Umfang gefolgt. Zwar war vorrangig streitig, ob infolge einer Verständigung in der Schlussbesprechung einer Betriebsprüfung überhaupt eine Pflichtverletzung des Steuerberaters vorlag. Hintergrund war, dass der Kläger zahlreiche Geldeingänge als Selbstständiger nicht belegen konnte und diese als Einnahmen der Versteuerung zugrunde gelegt wurden.
Jedenfalls kam es für das OLG zunächst darauf an, ob die zwei Wochen nach Eintritt der dreijährigen Verjährung gemäß § 68 StBerG a.F. erhobene Klage die Verjährung noch unterbrechen konnte. Es wurde eindeutig auf die seinerzeit ergangenen belastenden Änderungsbescheide abgestellt und deren Eingang bei dem Steuerberater zugrunde gelegt. Nicht beachtlich war, dass der Steuerberater die Bescheide dem Mandanten erst gegen Ende der Einspruchsfrist übermittelt und keinen Einspruch eingelegt hat. Das OLG ließ offen, ob darin im Hinblick auf die Verständigung mit der Finanzverwaltung in der Betriebsprüfung überhaupt eine Pflichtverletzung gesehen werden konnte. Jedenfalls hat diese weitere, nun vom Kläger behauptete Pflichtverletzung durch Nichteinlegung des Einspruchs höchstens einen schon entstandenen Schaden "vertieft", aber keinen neuen Schaden begründet.
Für die Übergangszeit nach Aufhebung des § 68 StBerG für die Verjährung und angesichts der Geltung der allgemeinen Verjährungsfrist von drei Jahren zum Jahresende muss nach Ansicht des OLG ausweislich der Regeln zum EGBGB jedenfalls dann von der "alten" Verjährungsfrist ausgegangen werden, wenn der Schaden, fixiert durch den belastenden Steuerbescheid, vor Aufhebung des § 68 StBerG eingetreten ist. Insofern kann es durchaus noch zur Anwendung der Regeln zur Sekundärhaftung des Steuerberaters kommen. Dies ist hier aber unerheblich, da der Mandant schon relativ früh zu Beginn der Primärverjährung anwaltlich in der Regressfrage vertreten war. Interessant ist diese Überlegung aber deshalb, weil die Klage nach den neuen Verjährungsregeln rechtzeitig, im Hinblick auf das "alte" Verjährungsrecht aber verspätet erhoben wurde.
Der Kläger hatte dem Steuerberater im Übrigen das Resthonorar aus der Tätigkeit in der Betriebsprüfung mit dem Argument verweigert, die Steuerberaterleistung sei für ihn aufgrund fehlerhafter Beratung unbrauchbar. Das OLG hat hierzu deutlich angemerkt, dass dies im Ergebnis zu einer Doppelbelastung des in Anspruch genommenen Steuerberaters führe: einerseits kein Honorar wegen Unbrauchbarkeit, andererseits voller Schadensersatz für angebliche Pflichtverletzung. Auch insofern wurde dem beklagten Steuerberater Recht gegeben und sein Resthonorar bestätigt.
Die Entscheidung erscheint zwar zunächst nur für die Frage der Verjährung in der Übergangszeit wichtig; allerdings ist sie sowohl hinsichtlich des Beginns der Verjährungsfrist als auch im Hinblick auf weiter bestehende Honoraransprüche von in Regress genommenen Steuerberatern auch für die Zukunft beachtlich und zu deren Gunsten zu berücksichtigen.
Link zur Entscheidung
OLG Hamm, Beschluss vom 24.5.2006, 25 U 16/06