Tobias Böing, Jochem Schausten
Rz. 242
Hierunter fällt regelmäßig die Rückforderung überzahlten Unterhalts.
Rz. 243
Eine Pflichtverletzung und damit ein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung im Rahmen des Unterhaltsrechts kann sich aufgrund einer falschen Auskunft und/oder eines Prozessbetruges ergeben. Hat einer der Ehegatten eine für die Unterhaltsberechnung bedeutende Frage nicht wahrheitsgemäß beantwortet (etwa Einkommen verschwiegen, den Abbruch der Berufsausbildung nicht mitgeteilt oder falsche Angaben zum Bestehen einer verfestigten Lebensgemeinschaft gemacht hat (AG Merzig, FF 2014, 171), so kann sich ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB (Erschleichen eines unrichtigen Titels) in Höhe des zu Unrecht gezahlten Unterhalts ergeben. Der Unterhaltsschuldner kann sich seinerseits wegen Prozessbetruges strafbar machen, wenn er wegen falscher Angaben zu seiner Leistungsfähigkeit ein für den Unterhaltsberechtigten nachteiliges Urteil erwirkt. Bei einem Vergleich ist an die Möglichkeit der Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und der Durchsetzung der Ansprüche im Ausgangsverfahren zu denken.
Rz. 244
Ferner ist zu beachten, dass Forderungen aus einer im Rahmen des Unterhaltsverhältnisses begangenen vorsätzlichen unerlaubten Handlung insofern privilegiert sind, als mit ihnen gegen eine an sich unpfändbare Unterhaltsforderung aufgerechnet werden kann. In einem solchen Fall steht dem Aufrechnungsverbot des § 394 BGB der Einwand der Arglist entgegen.
Rz. 245
Ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB kann sich des weiteren ergeben, wenn ein von Anfang an unrichtiger oder später unrichtig gewordener Titel ausgenutzt wird, welcher durch eine rechts- bzw. sittenwidrige Handlung des Unterhaltsberechtigten erwirkt wurde. Nimmt der Unterhaltsberechtigte weiter den gezahlten Unterhalt entgegen, obwohl er gar nicht mehr bedürftig ist, so kann dies ebenfalls zum Schadensersatz führen.
Rz. 246
Entscheidend ist in den vorgenannten Fällen, dass der Unterhaltsgläubiger positive Kenntnis von der inhaltlichen Unrichtigkeit des Unterhaltstitels bzw. der fehlenden Bedürftigkeit hatte. Hinzukommen muss, dass das Verhalten des Unterhaltsgläubigers als sittenwidrige, also in besonderem Maße unredliche und unerträgliche Ausnutzung des unrichtig gewordenen Titels anzusehen ist.
Rz. 247
Der Unterhaltsgläubiger ist jedoch grundsätzlich nicht verpflichtet, ungefragt für den Unterhalt relevante Veränderungen zu offenbaren. Es bleibt im Grundsatz bei der Auskunftspflicht nur auf Verlangen mit der Folge, dass es dem anderen Teil obliegt, sich Gewissheit über eingetretene Änderungen zu verschaffen. Lediglich in Ausnahmefällen, in denen das Schweigen über eine günstige, für den Unterhaltsanspruch ersichtlich grundlegende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse evident unredlich erscheint, kann eine Pflicht zur ungefragten Offenbarung derartiger Veränderungen eingreifen. Das kann etwa dann angenommen werden, wenn der Unterhaltsschuldner aufgrund vorangegangenen Tuns des Unterhaltsgläubigers sowie nach der Lebenserfahrung keine Veranlassung hat, sich des Fortbestandes der anspruchsbegründenden Umstände durch ein Auskunftsverlangen zu vergewissern. Dies kann auch dann angenommen werden, wenn der Unterhaltsgläubiger sodann trotz einer für den Schuldner nicht erkennbaren Veränderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse, die den materiell-rechtlichen Unterhaltsanspruch ersichtlich erlöschen lässt, eine festgesetzte Unterhaltsrente weiter entgegen nimmt und dadurch den Irrtum bewirkt, in seinen Verhältnissen habe sich erwartungsgemäß nichts geändert. Besteht ein Vergleich zum Unterhalt bzw. eine Unterhaltsvereinbarung, so erhöht sich die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Belange des anderen Teils. Im Gegenzug wird regelmäßig keine Pflicht zur ungefragten Mitteilung veränderter Umstände angenommen werden können, wenn bisher keine Entscheidung oder Vereinbarung der Ehegatten zum Unterhalt vorliegt.
Rz. 248
Besteht jedoch eine Pflicht zur ungefragten Information, kann die Verletzung dieser Pflicht im Ergebnis auch zu einer Verwirkung der Unterhaltsansprüche führen.
Rz. 249
Die geschilderten Grundsätze gelten grundsätzlich gleichermaßen für Veränderungen beim Unterhaltspflichtigen.
Rz. 250
Beispiele bezüglich Pflicht zur ungefragten Information
Die Pflicht zur ungefragten Information hat der BGH jeweils Einzelfall bezogen geprüft.
Bejaht:
Die Beteiligten haben einen Unterhaltsvergleich geschlossen, in welchem eine Klausel enthalten war, wonach ein bestimmter monatlicher Nettoverdienst der unterhaltsberechtigten Ehefrau anrechnungsfrei verbleiben sollte. In dem Moment, wo die Ehefrau eine Tätigkeit aufgenommen hatte, bei der sie deutlich mehr verdiente, wäre sie über diesen Umstand zur Auskunft verpflichtet gewesen.
Die Ehefrau hatte unter Berufung auf ihr Alter und ihren schlechten Gesundheitszustand und die damit verbundene fehlende Erwerbsmöglichkeit einen Unterhaltstitel erwirkt und dann zwei Jahre später zunächst eine Halbtags-, ...