Kurzbeschreibung

Arbeitsprozess: Einspruch gegen ein erstes Versäumnisurteil beim Arbeitsgericht.

Grundsätze

Ist gegen eine Partei ein Versäumnisurteil ergangen, kann sie dagegen nach § 59 ArbGG binnen einer Notfrist von einer Woche nach der Zustellung des Urteils Einspruch einlegen. Aufgrund des im arbeitsgerichtlichen Verfahren geltenden Beschleunigungsgrundsatzes ist hier die Frist im Gegensatz zur zweiwöchigen Einspruchsfrist des § 339 ZPO verkürzt. Der Einspruch muss beim Arbeitsgericht schriftlich oder durch Abgabe einer Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden. Die Schriftform ist im elektronischen Rechtsverkehr gemäß § 130a Abs. 3 Satz 1, 2. Variante ZPO gewahrt, wenn das elektronische Dokument statt mit einer qualifizierten elektronischen Signatur mit einer einfachen Signatur versehen und von der verantwortenden Person selbst auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 130a Abs. 4 ZPO versandt wird. Rechtsanwälte haben seit dem 1.1.2022 die aktive Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) zu beachten. Mit der Zustellung des Versäumnisurteils ist die säumige Partei vom Arbeitsgericht im Rahmen einer Rechtsmittelbelehrung auf die Art der Einspruchseinlegung und die Einspruchsfrist hinzuweisen.

Wird das Versäumnisurteil ohne die erforderliche Belehrung zugestellt oder ist die Belehrung unvollständig (z.B. wenn die Anschrift des Gerichts fehlt), beginnt die Frist des § 59 Satz 1 ArbGG nicht zu laufen. Vielmehr ist eine erneute Zustellung des Versäumnisurteils mit der vollständigen Rechtsbehelfsbelehrung erforderlich. Die Frist zur Einlegung des Einspruchs beginnt dann erst mit der erneuten Zustellung des Urteils (mit vollständiger Rechtsbehelfsbelehrung). Das ist im Wortlaut des § 59 ArbGG begründet, wonach die säumige Partei mit der Zustellung des Versäumnisurteils zugleich auf die Form und Frist des Einspruchs hinzuweisen ist.

Der Einspruch muss, um zulässig zu sein, nicht begründet werden. Es gelten hierbei die allgemeinen Regelungen des § 340 Abs. 3 ZPO. Danach kann jedoch eine verspätete Begründung nur wie verspätetes Vorbringen einer Partei zurückgewiesen werden. Nach § 340 Abs. 3 Satz 2 ZPO kann der Vorsitzende auf Antrag einer Partei die Frist für die Begründung verlängern, wenn dadurch nach seiner freien Überzeugung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt, warum eine Erstellung der Einspruchsbegründung innerhalb der Wochenfrist nicht möglich ist.

Ist der Einspruch nicht in der gesetzlichen Form oder innerhalb der Wochenfrist eingelegt worden oder nicht statthaft, ist er vom Gericht nach § 341 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Dieses Urteil kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.

Einstellung der Zwangsvollstreckung

Ist der Einspruch zulässig, hemmt er den Eintritt der Rechtskraft des Versäumnisurteils. Zwar wird dadurch eine Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil nicht gehindert, sie kann jedoch nach § 62 Abs. 1 ArbGG unter der Voraussetzung eingestellt werden, dass der Beklagte glaubhaft macht, dass ihm die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde.

Praxis-Beispiel
  • Wenn bei der Zwangsvollstreckung von Zahlungstiteln aufgrund von Indizien (z.B. Arbeitslosigkeit, Gefahr des Verlassens des Bundesgebietes) davon ausgegangen werden kann, dass der Vollstreckungsgläubiger vermögenslos ist und seitens des Vollstreckungsschuldners die Gefahr besteht, dass der Gläubiger zur Rückzahlung des vollstreckten Betrages im Fall einer Aufhebung oder Abänderung des Versäumnisurteils nicht in der Lage ist.
  • Wenn bei der Vollstreckung des Anspruchs des Arbeitnehmers auf Beschäftigung bzw. Weiterbeschäftigung für den Arbeitgeber ein unersetzbarer Nachteil materieller oder immaterieller Art eintreten würde, für den aller Voraussicht nach vom Arbeitnehmer kein Ersatz verlangt werden könnte.
  • Wenn eine Vollstreckung in Sachgegenstände (z.B. Arbeitsmaschinen) für den Betrieb im Vergleich zum tatsächlichen Wert der Sache einen geringfügigen Erlös bringen würde, insbesondere dann, wenn die Sachen für die tägliche Arbeit im Betrieb benötigt werden.

Folgen des zulässigen Einspruchs

Ist der Einspruch zulässig, wird nach § 342 ZPO der Prozess in die Lage zurückversetzt, in der er sich vor dem Eintritt der Versäumnis befand.

Sodann hat der Vorsitzende unverzüglich einen Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch und über die Hauptsache anzuberaumen, § 341a ZPO. In seiner Entscheidung ist das Gericht an den Inhalt des Versäumnisurteils nicht gebunden. Stimmt die gerichtliche Entscheidung nach Einlegung des Einspruchs mit dem Versäumnisurteil überein, spricht das Gericht aus, dass das Versäumnisurteil aufrecht erhalten bleibt, § 343 Satz 1 ZPO. Weicht dagegen die neue Entscheidung des Gerichts vom Inhalt des Versäumnisurteils ab, ist unter Aufhebung des Versäumnisurteils der neue Tenor auszusprechen, § 343 Satz 2 ZPO. Bei einer teilweisen Übereinstimmung ist zunächst auszusprechen, in welchem Umfang das Versäumnisurteil aufrechterhalten bleibt und sodann unter Aufhebung...

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