Leitsatz
Die Verpflichtung des VN, Vorschäden anzugeben, nach denen er im Schadenanzeigeformular des Versicherers gefragt wird, entfällt nicht deshalb, weil die Vorschäden von dem Versicherer selbst reguliert worden waren und der Versicherer dies anhand seiner Schadensunterlagen oder anhand der Daten in seiner EDV-Anlage hätte feststellen können.
Normenkette
§ 6 Abs. 3 VVG, § 10 Nr. 4 AVBR 80, § 11 Nr. 1 AVBR 80
Sachverhalt
Der Kl. hatte im Schadenanzeigeformular des Versicherers die Frage, ob er schon frühere Schäden am Reisegepäck gehabt hatte, bejaht und einen Schaden erwähnt, der sich 1991 ereignet habe und der von der Bekl. mit einem Betrag in Höhe von 1.000 DM reguliert worden sei. Das war unzutreffend. Zum einen betraf dieser Schaden nicht das Reisegepäck, sondern einen Kaskoschaden. Zum anderen hat der Kl. unerwähnt gelassen, dass in den Jahren 1993 und 1994 Schäden am Reisegepäck entstanden waren, die die Bekl. reguliert hatte. Das OLG hat die Kl. abgewiesen.
Entscheidung
Nach der Entscheidung des OLG ist die Bekl. von ihrer Verpflichtung zur Leistung nach § 6 Abs. 3 VVG i. V. m. § 10 Nr. 4 und § 11 Nr. 1 AVBR 80 frei geworden. Entgegen der Auffassung des Kl. sei seine Verpflichtung, die beiden Vorschäden anzugeben, nicht deshalb entfallen, weil sie von der Bekl. selbst reguliert worden waren und die Bekl. dies anhand ihrer Schadensunterlagen oder anhand der Daten in ihrer EDV-Anlage hätte feststellen können. Dadurch sei das Bedürfnis der Bekl., durch den Kl. über Vorschäden - auf die ausdrücklich darauf ausgerichtete Frage hin - aufgeklärt zu werden, nicht entfallen gewesen. Der VN könne von dem Versicherer nicht erwarten, dass dieser bei der Regulierung eines jeden Schadenfalls die vollständigen Vertrags- und Schadensunterlagen daraufhin durchsieht, ob sich daraus Informationen ergeben, die für die Abwicklung des jetzt geltend gemachten Schadens relevant sein könnten. Das würde weder dem Interesse des VN an einer zügigen Abwicklung des Schadenfalls, noch dem Interesse des Versicherers an einer möglichst wenig zeitaufwendigen Bearbeitung der Angelegenheit entsprechen.
Dem Versicherer sei daher - bei der Abwicklung eines Schadens - nicht stets all das bekannt, was sich in der Vergangenheit im Rahmen des Vertragsverhältnisses mit dem VN ergeben hat und was deshalb anhand der Vertrags- und Schadensunterlagen oder anhand einer Abfrage in der EDV-Anlage des Versicherers festgestellt werden könnte. Eine Obliegenheitsverletzung sei daher nicht allein deshalb zu verneinen, weil der Versicherer die verschwiegene Tatsache aufgrund eines früheren Versicherungsfalls selbst kennen könnte. Allerdings werde das, was ein Versicherer aufgrund seiner eigenen Akten oder aufgrund seiner elektronischen Datensammlung wissen könne, dann aktuelles, von ihm zu berücksichtigendes Wissen, wenn sich der VN darauf mit hinreichender Deutlichkeit zur Beantwortung ihm gestellter Fragen beziehe. Das habe der Kl. aber nicht getan.
Dass er die Obliegenheit nicht vorsätzlich verletzt habe, habe der Kl. als VN zu beweisen. Das sei dem Kl. nicht gelungen (wird ausgeführt).
Zwar sei die von dem Kl. begangene vorsätzliche Obliegenheitsverletzung letztlich ohne Folgen geblieben, weil die Bekl. wegen von ihr gleichwohl vorgenommener Recherchen die beiden Vorschäden festgestellt habe. In einem solchen Fall werde der Versicherer nur dann von seiner Verpflichtung zur Leistung frei, wenn die Obliegenheitsverletzung generell geeignet war, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden, wenn den VN außerdem ein erhebliches Verschulden treffe und wenn der Versicherer den VN über den möglichen Verlust seines Anspruchs ausreichend belehrt habe. Auch diese weiteren Voraussetzungen lägen hier vor. Das Verschweigen von Vorschäden sei generell geeignet, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden; denn bei häufigen Schäden habe der Versicherer in der Regel Anlass, die Richtigkeit der Angaben des VN zum Schadenereignis und zur Schadenhöhe besonders sorgfältig zu prüfen. Dass den Kl. ein erhebliches Verschulden treffe, ergebe sich bereits aus den weiter oben angestellten Erwägungen.
Link zur Entscheidung
Saarländisches OLG, Urteil vom 28.01.1998, 5 U 797/97-67