Leitsatz

Die Beweislast liegt bei Mahnverfahren beim Versicherer, wenn er sich im Schadensfall auf Leistungsfreiheit wegen Zahlungsverzug der Prämie beruft.

 

Sachverhalt

Kann das Unternehmen nicht beweisen, wann einem Versicherungsnehmer das Mahnschreiben zugegangen ist, kann es sich im Schadensfall nicht auf Leistungsfreiheit wegen Zahlungsverzugs berufen. Dem Urteil lag ein klassischer Haftpflichtschaden zu Grunde: Die Klägerin hatte bei der Beklagten eine Hundehaftpflicht abgeschlossen. Am 1.8.2005 biss ihr Hund eine Nachbarin. Diesen Schaden meldete der Mann der Klägerin noch am selben Tag durch ihren Vermittler der Versicherung. Dieser erklärte den Versicherungsschutz jedoch für nichtig, weil der Versicherer bereits am 12.7.2005 ein Mahnschreiben verschickt habe und sich der Schaden folglich außerhalb der Zweiwochenfrist (§ 39 Abs. 2 VVG) ereignet habe. Gleichwohl riet er der Versicherten dazu, dass sie nunmehr unverzüglich ihre Prämie zahlen solle, was die Halterin des Hundes auch am selben Tag tat.

Nach Rücksprache mit ihrem Anwalt war sich die Frau darüber hinaus sicher, dass sie das Mahnschreiben ihres Versicherers – im Beisein einer Zeugin – erst am 20.7.2005 erhalten habe und forderte das Unternehmen dazu auf, sich mit ihrem Schaden zu befassen. Der Beklagte verweigerte jedoch die Schadensregulierung mit dem Hinweis auf eine aus dem Jahr 2004 stammende Studie, die zu einer durchschnittlichen Postlaufzeit von 1,05 Tagen gekommen sei. Die 8 Tage der Zustellung bei der Klägerin könne von daher ausgeschlossen werden.

Die Richter verurteilten das Versicherungsunternehmen zur Regulierung des Hundebisses. Erster Grund: Der Beweis für den Zustellungs-Zeitpunkt der qualifizierten Mahnung nach § 39 VVG obliegt ausschließlich dem Versicherer. Dem hätte er sehr einfach durch Verwendung eines Einschreibens mit Rückschein entsprechen können. Die Hundehalterin konnte sich demnach damit begnügen, den Erhalt der Mahnung zu bestreiten, oder sich nicht an dessen Zustellung erinnern zu können, ohne dass der Versicherer damit aus seiner Beweispflicht entlassen ist.

Zweiter Grund: Das Versicherungsunternehmen hätte den Beweis auch durch eine Indizien-Darlegung führen können. Die Indizienkette hätte dann aber "einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit" vermitteln müssen. Und da es aber bei der Postzustellung nicht die Erfahrungssätze gebe, dass tatsächlich alle Briefe ihre Empfänger innerhalb einer bestimmten Zeit erreichten, ist das Unternehmen auch diesen Beweis schuldig geblieben.

Die Klage hätte lediglich abgewiesen werden können, wenn Anzeichen dafür vorgelegen hätten, dass die Hundebesitzerin in grober Weise die Unwahrheit gesagt hätte – und diese Anzeichen haben die Richter nicht erkannt.

 

Link zur Entscheidung

OLG Hamm, Urteil v. 11.05.2007, 20 U 272/06.

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