Leitsatz
- Wenn ein Brand sich durch Wiederaufflackern eines noch vorhandenen Glimm- oder Schwelbrandes aus einem vorangegangenen Feuer entwickelt hat, handelt es sich um einen einheitlichen Versicherungsfall.
- Zum Anscheinsbeweis, dass der zweite Brand eine selbständige Ursache hat, ist es erforderlich, dass es sich um einen regelmäßig wiederkehrenden Vorgang handelt, für den eine Verkettung von Ursache und Wirkung typisch ist.
Normenkette
§ 1 VVG, § 83 VVG
Sachverhalt
Die VN unterhielt für ihr Hotel-Restaurant bis zum 1.1.1981 12.00 Uhr beim Versicherer A (Beklagte) und danach beim Versicherer B (Klägerin) eine Feuerversicherung. Am Morgen des 1.1.1981 gegen 2.00 Uhr geriet das versicherte Objekt in Brand. Dieser konnte jedoch gelöscht werden. Am Abend des 1.1.1981 gegen 20.15 Uhr geriet das Objekt an derselben Stelle erneut in Brand. Der Feuerwehr gelang es diesmal nicht, den Brand zu löschen.
Da es seinerzeit schon streitig war, ob der Brand am Abend des 1.1.1981 eine beim Versicherer B oder A versicherte Ursache hatte, einigten sich die Parteien ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, vorerst den Schaden je zur Hälfte zu regulieren. Die Klägerin (Versicherer B) verlangte nunmehr von der Beklagten (Versicherer A) den gezahlten Teil zurück und behauptete, der zweite Brand sei als wiederaufgeflammter Schwelbrand von dem ersten verursacht worden. Der Klage hatte das LG stattgegeben. Die Berufung hatte keinen Erfolg. Die Revision der Beklagten führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Entscheidung
Der BGH bestätigte die Rechtsauffassung des OLG Köln, dass die Beklagte zur Regulierung des gesamten Schadens verpflichtet ist, wenn der Brand am Abend des 1.1.1981 sich durch Wiederaufflackern eines noch vorhandenen Glimm- oder Schwelbrandes aus dem vorangegangenen Feuer am Morgen des 1.1.1981 entwickelt hat. In diesem Fall handele es sich um einen einheitlichen Versicherungsfall, der zu der Zeit entstanden sei, als die Beklagte noch Versicherungsschutz zu gewähren hatte.
Das OLG hatte der Klägerin indessen Beweiserleichterung des Anscheinsbeweises zugebilligt, deren Begründung nach der Entscheidung des BGH nicht rechtsfehlerfrei ist. Die Revision habe zu Recht gerügt, dass das OLG in Wahrheit eine auf den Einzelfall bezogene Würdigung von Beweisanzeichen vornehme. Der BGH führte aus, dass grundsätzlich der Beweis des ersten Anscheins auch bei der Feststellung von Brandursachen in Betracht kommen könne. Diese Beweiserleichterung greife aber nach ständiger Rechtsprechung des BGH nur bei typischen Geschehnisabläufen ein, d. h. in Fällen, bei denen ein bestimmter Sachverhalt feststehe, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweise.
Die Annahme, dass ein für den Anschein typischer Geschehnisablauf vorliege, erfordere zunächst die Feststellung eines allgemeinen Erfahrungssatzes als einer aus allgemeinen Umständen gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerung, die dann auf den konkreten Sachverhalt angewendet werden könne. Die Vermutung des Berufungsgerichts, es sei möglich und naheliegend, dass sich ein Glimmbrand weitergefressen habe, ersetze keine Feststellung und begründe auch keine eigenen Erfahrungen. Es genüge nicht, dass der zweite Brand "wahrscheinlich" keine selbständige Ursache habe. Erforderlich sei vielmehr, dass es sich um einen regelmäßig wiederkehrenden Vorgang handele, für den eine Verkettung von Ursachen und Wirkung typisch sei, d. h. nach allgemeinen Erkenntnissen, z. B. nach der Lebenserfahrung, durchweg so beobachtet werden könne. Dabei bedeute Typizität nicht, dass die Verkettung bei allen Sachverhalten dieser Fallgruppe notwendig immer vorhanden sei. Sie müsse aber so häufig vorkommen, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß sei.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 06.03.1991, IV ZR 82/90