Prof. Dr. Dr. Herbert Grziwotz
Bei grober Unbilligkeit kann der Versorgungsausgleich herabgesetzt und sogar ausgeschlossen werden (§ 27 VersAusglG). Dies ist zwar von Amts wegen zu beachten (§ 26 FamFG); das Gericht ist nicht an die Anträge und Vorstellungen der Ehegatten bzw. Lebenspartner gebunden. Es muss jedoch diesbezüglich keine eigenen Nachforschungen anstellen.
Grobe Unbilligkeit (§ 27 Satz 1 VersAusglG) ist gegeben, wenn die starre Durchführung des Versorgungsausgleichs aus besonderen Gründen dem gesetzlichen Grundgedanken einer eigenständigen Altersversorgung widerspricht und zu einem unhaltbaren Ergebnis führt. Derjenige Ehegatte, der sich gegen die uneingeschränkte Durchführung des Versorgungsausgleichs wendet, trägt für diese Voraussetzungen die Darlegungs- und Feststellungslast. Die Unbilligkeit muss eine Abweichung vom Grundsatz der hälftigen Teilung der Anrechte rechtfertigen. Mit der Härteklausel kann jedoch keine generelle Korrektur des nach den gesetzlichen Bestimmungen durchzuführenden Versorgungsausgleichs erreicht werden.
Es ist im Einzelfall eine Gesamtabwägung erforderlich, bei der auch Alter, Gesundheit und Erwerbsfähigkeit der Parteien sowie die Möglichkeit, die eigene Altersversorgung mittels künftiger Erwerbstätigkeit zu verbessern, zu berücksichtigen sind. Ein Trennungsverschulden allein führt noch nicht zur Bejahung eines Härtefalls.Eheliches Fehlverhalten ist nur zu berücksichtigen, wenn seine Auswirkungen auf den Partner ganz besonders ins Gewicht fallen und daher die Durchführung des Versorgungsausgleichs unerträglich erscheint, z. B. bei einer Kindestötung,
nicht aber bei einem Abbruch des Kontakts zu dem gemeinschaftlichen Kind.
Härtefallbeispiele sind das Unterschieben eines Kindes, ein phasenverschobener Erwerb von Anwartschaften bei Finanzierung des Studiums durch einen Partner, eine Erwerbsunfähigkeit und ein großer Altersunterschied, bei dem der andere Partner noch weitere Anrechte erwerben kann, Alkoholismus und die Durchführung einer Ausbildung ohne Beteiligung an der Führung des Haushalts, der sexuelle Missbrauch eines gemeinschaftlichen Kindes, die Prostitution, Straftaten gegenüber dem Partner, insbesondere körperliche Übergriffe, die Tilgung von Verbindlichkeiten, die der Ehegatte durch Straftaten verursacht hat, nicht jedoch ein Ausbruch aus der Ehe und Verfehlungen gegen die eheliche Treuepflicht bei langjähriger Haushaltsführung und Kinderbetreuung.
Die Verletzung von Mitwirkungspflichten im Versorgungsausgleichsverfahren (z. B. keine Einreichung der erforderlichen Unterlagen) kann insbesondere bei einer langen Verfahrensverzögerung eine grobe Unbilligkeit begründen.
Auch eine lange Trennungszeit, mit einer wirtschaftlichen Verselbständigung der Ehegatten kann die Durchführung des Versorgungsausgleichs grob unbillig erscheinen lassen,
nicht aber, wenn trotz Getrenntlebens ein Partner allein die Betreuung gemeinschaftlicher Kinder vorgenommen hat.
Ein Umstand, dass beide Partner voll berufstätig waren und deshalb keiner von ihnen ehebedingte Nachteile erlitten hat, genügt für den Ausschluss dagegen nicht, ebensowenig Unterhaltsverpflichtungen gegenüber dritten Personen. Gleiches gilt für den Bezug einer Conterganrente, aufgrund derer der Ausgleichsberechtigte nicht auf den Versorgungsausgleich angewiesen ist. Nicht ausreichend ist ferner, wenn ein Partner bei Durchführung des Versorgungsausgleichs besser steht als der andere oder beide in getrennten Wohnungen lebten. Das wirtschaftliche Ungleichgewicht ist nur dann von Bedeutung, wenn der Ausgleichsberechtigte auch ohne den Versorgungsausgleich über ein ausreichend großes Vermögen verfügt, insbesondere wenn er während der Ehe bzw. Lebenspartnerschaft die Vorsorge für das Alter in anderer Weise als durch die Begründung von Versorgungsrechten sichergestellt hat.
Relevant wird dies vor allem, wenn der Verpflichtete auf die von ihm erworbenen Versorgungsanrechte zur Sicherung seines Unterhalts dringend angewiesen ist.
Die Verminderung der laufenden Rente bzw. Pension durch eine Scheidung aufgrund des Wegfalls des Rentner- bzw. Pensionistenprivilegs stellt keinen (rechtlich relevanten) Härtefall dar.
Der Versorgungsausgleich ist ausgeschlossen, wenn der Ausgleichsberechtigte in unvernünftiger Weise die Versorgungsausgleichsbilanz durch Schmälerung eigener Versorgungen oder Versorgungsansprüche einseitig verändert hat. Beispiele sind Beitragserstattungen, die Kündigung einer Lebensversicherung und die Inanspruchnahme einer Kapitalabfindung bei Bestehen der Gütertrennung, nicht jedoch der Verlust der eigenen Versorgung durch Spekulationen am Kapitalmarkt.
Der Versorgungsausgleich ist schließlich ausgeschlossen, soweit der Berechtigte während der Ehe längere Zeit hindurch seine Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, gröblich verletzt hat, nicht jedoch, wenn ein Partner mit Haushaltsführung und Kindererziehung neben...